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Krimi mit Tiefgang Mördersuche und jüdisches Leben: Rabbi Klein ermittelt

Bereits zum vierten Mal macht Alfred Bodenheimer den Zürcher Rabbi Gabriel Klein zum Ermittler wider Willen. Dabei gerät Klein zunehmend in eine moralische Zwangslage zwischen Gewissen und Gesetz.

Von Axel Knönagel, dpa 08.08.2017, 10:03

Berlin (dpa) - Gabriel Klein ist ein moderner Mann, aber als Seelsorger der jüdischen Gemeinde von Zürich in einer Unterhaltungssendung im Fernsehen aufzutreten, ist auch für ihn etwas völlig Ungewohntes.

Er ist so nervös, dass er sein Handy im Studio vergisst. So harmlos lässt Alfred Bodenheimer seinen vierten Roman um den Seelsorger mit kriminalistischem Spürsinn beginnen.

Ohne Handy geht es nicht, und so fährt Klein am späten Abend zurück zum Studio. Dort gerät er aber mitten in eine dramatische Situation. Ein Auto rast vom Studiogelände und überfährt ihn fast. Auf dem Parkplatz findet er dann den bekannten Moderator, mit dem er eben noch gemeinsam vor der Kamera stand. Der Mann stirbt in Kleins Armen, der Rabbi ist zutiefst erschüttert.

Klein fühlt sich dem Toten gegenüber verpflichtet, dem er nicht hatte helfen können, aber schon bald wird er auch als Seelsorger in die Pflicht genommen. Zu den Verdächtigen gehört auch Lejser, der bisherige Lebensgefährte des Toten und abtrünniger Sohn eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde. Lejser selbst bittet Klein, ihm bei der Wahrheitsfindung zu helfen, dabei hatte dieser doch gerade der zuständigen Kommissarin versprochen, sich aus den Ermittlungen herauszuhalten.

Natürlich bleibt sich Klein treu, so wie ihn Bodenheims Leser in den vergangenen Jahren kennengelernt haben. Er ist in erster Linie Seelsorger für seine anspruchsvolle Gemeinde, aber die Suche nach irdischer Gerechtigkeit ist ihm ebenso wichtig wie das Streben nach seelischem Heil.

Klein fühlt sich belastet von seiner Doppelrolle. "Warum musste in der größten Krise unbedingt wieder ein Rabbiner her?", lamentiert er innerlich, aber es würde ihm nie in den Sinn kommen, sich herauszuhalten, wenn er helfen kann. Dazu gehört für einen Rabbiner aber auch, seinen Gemeindemitgliedern im Alltag zur Seite zu stehen, sich im interreligiösen Dialog zu engagieren und auch seiner Familie gerecht zu werden.

Bodenheimer erzählt von Kleins Versuchen, seine kriminalistischen Recherchen in seinen Alltag zu integrieren, kompetent und unaufgeregt. Als Professor für Jüdische Literatur und Religionsgeschichte in Basel sind ihm die theologischen Aspekte bestens vertraut, als Erzähler von Krimis, die ihre Spannung bis zum Schluss halten, ist er ein Naturtalent.

Bodenheimer legt zahlreiche falsche Fährten, denen auch Klein öfter vergeblich folgt, denn er ist glaubhaft als ganz normaler Mensch, der in Situationen hineingezogen wird. In zahlreichen Variationen greift der Roman auch sein Grundmotto auf, das Torah-Gebot "Ihr sollt den Fremden lieben". Wiederholt stellt sich die Frage, wer wem fremd ist. Eine Frau weist Klein dann noch sehr pointiert auf einen weiteren, äußerst wichtigen Aspekt hin: "Den Fremden zu lieben, wie Sie predigen, und ihn zu verstehen, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe."

"Ihr sollt den Fremden lieben" ist ein spannender Krimi mit intellektuellem Tiefgang. Bodenheimer bietet Einblicke in das jüdische Alltagsleben und die zu Grunde liegenden Regeln und Traditionen. Der kurze Roman unterhält auf hohem Niveau und lässt auf einen weiteren Fall für Rabbiner Gabriel Klein hoffen.

- Alfred Bodenheimer: Ihr sollt den Fremden lieben. Verlag Nagel und Kimche, Zürich, 192 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-312-01033-2.