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Der literarische Dschungelkönig ist 150 Jahre alt

Bis heute begeistern seine exotischen Kurzgeschichten und schonungslosen Einblicke in die britische Kolonialherrschaft. Im Jahr 1865 wurde der Literaturnobelpreisträger und Schöpfer des weltberühmten Kinderbuchklassikers Das Dschungelbuch geboren.

Von Uli Hesse, dpa 29.12.2015, 22:59

London (dpa) - Mit seiner Geschichtensammlung Die Dschungelbücher schrieb sich Rudyard Kipling in die Unsterblichkeit: Der Menschenjunge Mogli wächst bei Wölfen im Urwald auf und lernt das harte Gesetz des Dschungels von seinen tierischen Freunden Balu dem Bär und dem schwarzen Panther Baghira.

Im Original ist die moralische Fabel eher düster, wurde aber 1967 schwungvoll von den Disney-Studios in einen Zeichentrickfilm verwandelt und zu einem der erfolgreichsten Filme der Geschichte.

Es ist kein Wunder, dass Rudyard Kipling Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu den beliebtesten englischsprachigen Schriftstellern gehörte. Sprachmächtig, elegant und exotisch formte er das Bild der Briten von ihren Kolonien. Am 30. Dezember 1865 wurde Rudyard Kipling in Bombay (heute Mumbai) geboren - am diesem Mittwoch (30. Dezember) vor 150 Jahren.

In Indien fühlte Kipling sich immer mehr daheim als in England: Seine Eltern waren Briten, die in die Kronkolonie ausgewandert waren und er wurde von einem portugiesischen Kindermädchen und indischen Bediensteten aufgezogen. Doch mit sechs Jahren wurde er zu Pflegeeltern in England geschickt, um dort eine gute Schulbildung zu erhalten.

Er war sehr unglücklich und kehrte 1882, im Alter von 16 Jahren, nach Lahore im heutigen Pakistan zurück. Sein Vater verschaffte ihm eine Stelle als Journalist für seine Lokalzeitung, für die er kreuz und quer durch die indischen Bundesstaaten reiste. Kipling sprach fließend Hindi und Urdu und begann nebenher, Kurzgeschichten und Gedichte zu schreiben.

Schon seine ersten Werke begeisterten viele Leser. In ihnen zeichnete Kipling mit Ironie die Schwächen und Konflikte der englischen Bevölkerung in Britisch-Indien nach. Der Mann, der König sein wollte (The Man Who Would Be King) wurde mit Sean Connery und Michael Caine in den Hauptrollen verfilmt. 1889 kehrte Kipling nach London zurück, dem literarischen Zentrum des britischen Empires, und wurde einer der bekanntesten und beliebtesten Schriftsteller. 1907 erhielt er als erster Brite den Liternaturnobelpreis.

Das änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg, als die britische Kolonialherrschaft Risse bekam. Kipling war überzeugt, dass die angelsächsische Zivilisation anderen Völkern weit überlegen sei und zog damit Kritik auf sich.

Schriftstellerkollegen wie der Argentinier Jorge Luis Borges warfen ihm vor, er sei ein Barde des britischen Empires, der in Gedichten wie Die Bürde des Weißen Mannes koloniale Ausbeutung besang. George Orwell beschrieb ihn 1942 in einem Essay als Hurrapatrioten, moralisch unempfindlich und ästhetisch abstoßend. Andere dagegen lasen Warnungen vor den Gefahren des Imperiums in seinen Gedichten, und Kiplings Meisterwerk Kim (1901) zählte zu den Lieblingsbüchern des ersten indischen Ministerpräsidenten Nehru.

Es gibt einen deutschen Schriftsteller, auf den Rudyard Kiplings gleichmütiger Ton großen Eindruck machte: Bertolt Brecht. Der subtile Einfluss ist in mehreren seiner Gedichten zu spüren, der Kanonensong der Dreigroschenoper (1928) ist eine freie Interpretation von Kiplings Ballade Screw-Guns (1890).

Doch Brecht ist nicht der erste, der abgekupfert hat. Vor zwei Jahren wurde ein Brief Kiplings von 1895 gefunden, in dem er zugibt, Teile des Gedichts Law of the Jungle abgeschrieben zu haben: In der Tat ist es sehr gut möglich, dass ich mich wahllos bedient habe, doch derzeit kann ich mich nicht erinnern, von wessen Geschichten ich gestohlen habe. Mit herzlichen Grüßen, Rudyard Kipling.

Am 18. Januar 1936 starb Kipling kurz nach seinem 70. Geburtstag. Seine Asche wurde in der Poets' Corner (Dichterecke) der Londoner Kathedrale Westminster Abbey neben den Gräbern von Thomas Hardy und Charles Dickens beigesetzt.