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Deutschland muss EU-Bürgern nicht immer Sozialhilfe zahlen Berlin blockt Brüsseler Einmischung ab

Im Ausland leben und arbeiten - Europa macht es seinen Bürgern einfach.
Doch wenn es ums Geld geht, wird es schwierig. Die EU-Kommission stellt
jetzt klar: Deutschland muss EU-Bürgern nicht pauschal Sozialhilfe
zahlen.

11.01.2014, 01:20

Brüssel/Berlin (dpa). Die EU-Kommission hat klargestellt, dass Deutschland keineswegs allen arbeitslosen EU-Bürgern im Land Sozialhilfe gewähren muss. "Die EU-Kommission dringt auch nicht darauf, dass Deutschland die Bedingungen für den Zugang zu Sozialleistungen erleichtert. Anderslautende Behauptungen und Medienberichte sind falsch", erklärte die Brüsseler Behörde.

Sie reagierte damit auf einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung". Das Blatt hatte über eine Stellungnahme der EU-Kommission in einem Verfahren vor dem EuGH berichtet. Darin stelle die Kommission eine zen-trale Vorschrift im Sozialgesetzbuch über den Ausschluss von EU-Zuwanderern von Hartz-IV-Leistungen infrage, die mit europäischem Recht nicht vereinbar sei. Sollten die europäischen Richter der Kommission folgen, so hätten Zuwanderer deutlich bessere Chancen auf Sozialleistungen, selbst dann, wenn sie keine Arbeitsstelle suchen, hieß es in dem Bericht.

Die EU-Kommission versicherte dagegen: "Dem Recht auf Freizügigkeit stehen strikte Schutzklauseln gegenüber, um den sogenannten Sozialtourismus zu verhindern." Grundsätzlich gelte: "Um Sozialhilfe zu erhalten, muss man als EU-Bürger entweder arbeiten, ein direktes Familienmitglied eines Anspruchsberechtigten sein oder seinen dauerhaften Aufenthaltsort in dem jeweiligen Mitgliedsstaat haben. In den ersten drei Monaten ist das EU-Aufnahmeland nach EU-Recht nicht verpflichtet, nicht erwerbstätigen EU-Bürgerinnen und -Bürgern Sozialhilfe zu gewähren."

Diese Ansicht vertritt auch die Bundesregierung. Am Montag will sich auch EU-Arbeitskommissar Laszlo Andor zu dem Thema äußern.

Experten der EU-Kommission stellten klar, dass die Behörde vor allem am generellen Ausschluss vieler EU-Ausländer von Hilfen im deutschen Sozialsystem Anstoß nimmt. Stattdessen müssten die Behörden jeden Einzelfall prüfen und dabei untersuchen, ob die gewünschte Unterstützung eine "übermäßige Belastung" der deutschen Sozialsysteme bedeute. Einzelheiten müssten die Gerichte klären. Mit einem Urteil des EuGH im fraglichen Fall wird frühestens zum Jahresende gerechnet.

CSU-Generalsekretär An-dreas Scheuer: "Die nationalen sozialen Sicherungssysteme sind kein Selbstbedienungsladen für alle Europäer, die zu uns kommen." Es sei "schockierend, wie die EU-Kommission leichtfertig die nationalen Sicherungssysteme damit torpediert".

Die Bundesregierung hält an ihrer Position fest, arbeitslose Zuwanderer in bestimmten Fällen von Hartz-IV-Leistungen auszuschließen. Eine Änderung der Gesetzeslage halte man nicht für nötig, betonte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums in Berlin. Die Regierung vertrete die Rechtsauffassung, dass der Ausschluss beitragsunabhängiger Leistungen - wie das Arbeitslosengeld II - in den ersten drei Monaten generell und im konkreten Fall gerechtfertigt sei - "auch um Fehlanreize zu vermeiden", sagte der Sprecher. Er stellte klar, dass dies nichts "mit der Freizügigkeit, mit der Zuwanderung von Fachkräften" zu tun habe. Berechtigte Ansprüche auf Sozialleistungen wie das Kindergeld stelle man "überhaupt nicht in Frage". Dies müsse sauber getrennt werden.

Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte in Weimar: "Wir brauchen bei der Anerkennung der unterschiedlichen Sozialsysteme innerhalb der EU auch eine Festlegung darüber, wie wir EU-weit verfahren wollen, wenn Menschen auf Arbeitsuche sind." Zu einer EU-Stellungnahme, wonach einzelne Fall-Konstruktionen geprüft werden müssten, sagte sie: "Das finde ich vollkommen richtig."

Grundsätzlich betonte Göring-Eckardt nach einer Neujahrsklausur der Bundestagsabgeordneten ihrer Partei: "Arbeitnehmerfreizügigkeit und Freizügigkeit überhaupt ist eine europäische Erfolgsgeschichte." Meinung