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Gesetz zu Drogen-Freigabe Cannabis-Konsum entkriminalisieren

Bundesdrogenbeauftragter Burkhard Blienert (SPD) ist für Cannabis-Konsum Erwachsener ohne Strafe. Begründung: Jeder bekommt die Droge ohnehin überall.

Von Steffen Honig 11.09.2023, 18:00
Bundesdrogenbeauftragter Burhrad Blienting
Bundesdrogenbeauftragter Burhrad Blienting Foto: Alexander Walter

Magdeburg - Volksstimme: Ein großes Thema dieser Bundesregierung ist die Cannabis-Legalisierung. Obwohl es sich hierbei um eher leichte Drogen handelt, ist doch die Frage, wie sich das mit 1990 Drogentoten 2022, dem höchsten Stand seit etwa 20 Jahren, verträgt?

Burkhard Blienert: Vorab: Cannabiskonsums führt nicht zum Tod. Die todesursächlichen Substanzen bei den 1990 Drogentoten sind andere. Die fast 2000 Toten im Zusammenhang mit dem Konsum von illegalen Drogen sind im Wesentlichen zurückzuführen auf Heroin, Kokain und auch Amphetamine. In den Kontext des Einordnens gehören auch 130 000 Tote durch Missbrauch von Tabak und Alkohol. Daran wird erkennbar: Verbot oder nicht Verbot – das ist nicht entscheidend dafür, wie groß die Schäden sind, die eine Droge anrichtet. Sondern, ob wir Prävention, Kontrolle und Regulierung hinbekommen. Bei Cannabis hält das Verbot viel zu wenige Menschen vom Konsum ab.

Die Zahlen steigen seit Jahren.

Die Zahlen steigen seit Jahren. Und es führt dazu, dass die, die konsumieren das viel zu riskante Zeug vom Schwarzmarkt nehmen. Mit all den Verunreinigungen. Mir geht es mir darum, die Konsumierenden zu schützen. Und es geht darum, mit Jugendlichen endlich in einen Austausch auf Augenhöhe zu kommen. Denen immer zu sagen, Cannabis sei verboten und deswegen müssten sie die Hände davonlassen, bringt rein gar nichts. In diesem Kontext ist die regulierte Abgabe von Cannabis zu sehen.

Straffrei sollen Erwachsene künftig bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen dürfen. Ist das für Sie eine vertretbare regulierte Abgabe?

Wir haben beim Konsum von Cannabis erkennen müssen, dass trotz des Verbots Cannabis das meistkonsumierte Genussmittel unter den Drogen ist. Jedes Bundesland hat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts straffreie Eigenbesitzgrenzen festgelegt oder eben nicht. Das hilft weder beim Jugend-, noch beim Gesundheitsschutz. Es ist ein sehr unregulierter Bereich und wir haben einen sehr großen Schwarzmarkt. Geschätzt werden pro Jahr mehr als vier Milliarden Euro auf dem Schwarzmarkt umgesetzt. Die 25 Gramm im Regierungsentwurf sind ein politischer Kompromiss. Es musste eine Größenordnung gefunden, die auch regelmäßig Konsumierenden die Abkehr vom Schwarzmarkt ermöglicht. Zumal auch die drei Pflanzen im Eigenanbau einen gewissen Ertrag im Jahr bringen.

Im Entwurf umstritten sind die sogenannten Cannabis-Clubs, die als Vereine mit bis zu 500 Mitgliedern organisiert sein sollen. Doch soll es verboten sein, im Vereinsgebäude zu kiffen. Glauben Sie, dass diese rechtliche Konstruktion funktioniert?

Es ist gut, dass der Entwurf vorliegt. Er setzt gute und wichtige Leitplanken und macht Kompromisse, die nach langen Debatten mit vielen Akteuren entstanden sind. In den kommenden Wochen wird dieser Entwurf im Bundestag noch einmal auf Herz und Nieren überprüft. Ich gehe davon aus, dass das Parlament auch nochmals genau bei der Umsetzbarkeit und Praktikabilität hinschauen wird.

Also doch kiffen im Club?

Es gibt ein Für und Wider und das werden die Fraktionen jetzt noch einmal diskutieren. Im Sinne des Gesundheitsschutzes und der Praktikabilität wird der Bundestag das noch einmal ansprechen. Dabei geht es auch darum, ob wir den Konsum im Freien zulassen aber nicht in den Clubs, wo es Informationen und Beratung gibt.

Ein weiterer Streitpunkt sind Cannabis-Sperrzonen von 200 m um Kindergärten, Schulen und ähnliche Einrichtungen herum. Da bleibt in manchem Ort nicht viel Platz zum Cannabis rauchen.

Der Grundgedanke ist: Wie können wir Kinder und Jugendliche am besten vor Sucht und Drogen schützen. Bei der geplanten regulierten Freigabe haben der Jugend- und der Gesundheitsschutz absolute Priorität. Zugleich geht es natürlich um Plausibilität bei den Vorgaben. Wenn man sich Berlin anschaut, kann es Clubs im dritten Hinterhof geben und nebenan ist eine Kita. Dazwischen steht jedoch eine dicke Brandmauer. Hier muss man schauen, ob wir die Ziele erreichen, die wir wollen: Nämlich Erwachsenen die Möglichkeit zu geben, sich Cannabis nicht auf dem Schwarzmarkt besorgen zu müssen und den Konsum zu entkriminalisieren.

Bei anderen Drogen wird der Konsum aber doch auch nicht erleichtert, wieso dann ausgerechnet bei Cannabis?

Auch da lohnt der differenzierte Blick: Tabak und Alkohol sind seit jeher legal und richten nun wahrlich viel mehr an als Cannabis und bei denen lassen wir bis heute auch noch viel Werbung, Sponsoring und natürlich auch den für jeden sichtbaren Konsum zu. Wir müssen beides machen: Dort, wo ein Verbot mehr schadet, als es bringt, nachbessern und dort, wo der Umgang zu lax ist, ebenfalls etwas tun. Bei Cannabis soll übrigens jede Werbung von vornherein ausgeschlossen werden, die Clubs werden von außen nicht sichtbar sein. Das müssen wir auch bei den seit jeher erlaubten, aber dennoch extrem suchtgefährdenden Angeboten hinbekommen: Wir brauchen weitgehende Verbote von Werbung und Sponsoring für süchtig machende Mittel wie Tabak, Alkohol und eben auch Cannabis. Da beginnt echter Jugendschutz.

Der Jugendschutz steht aber für Sie nicht über der Legalisierung von Cannabis?

Doch! Denn wir haben trotz des Verbotes einen hohen Cannabiskonsums. Die Verbotspolitik hat ihre Ziele verfehlt. Wir haben bereits jetzt die Situation, dass in vielen Schulen in allen Bundesländern fast alle Drogen präsent sind. Es wird aber zu häufig nicht darüber gesprochen, weil keine Schule eine Kiffer-Schule sein will. Das tabuisiert Drogen als solche und schiebt sie aus einer gesellschaftlichen Debatte heraus, weil keiner offiziell damit etwas zu tun haben möchte. Aber es ist überall ein Problem: In einer kleinen Stadt bekomme ich so gut wie alles und in einer großen Stadt alles noch schneller. Das heißt: Ich will Jugendschutz und Prävention, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern echt sind.

In allen Regionen kann man unkompliziert Drogen erhalten.

Für Ihre These spricht eine aktuelle vom NDR in Auftrag gegebene Befragung. Sie ergab, dass der Konsum illegaler synthetischer Drogen wie Kokain, Ecstasy und Speed in Mecklenburg-Vorpommern offenbar höher ist als bisher bekannt. In Neubrandenburg, Rostock und Schwerin findet sich demnach jeweils mehr Speed im Abwasser als in Amsterdam.

In allen Regionen Deutschlands kann man mehr oder weniger unkompliziert Drogen erhalten. Der Drogenkonsum ist in allen Bevölkerungsgruppen verbreiteter, als häufig angenommen. Es gibt regionale Unterschiede – doch letztlich haben wir die Verfügbarkeit von Kokain, von Amphetaminen oder synthetischen Drogen überall.