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Interview Ramelow setzt auf ausländische Arbeitskräfte

Linkenpolitiker Bodo Ramelow kämpft um seine Wiederwahl zum thüringischen Ministerpräsidenten. Was er für den Freistaat erreichen will.

Von Steffen Honig 21.02.2019, 00:01

Volksstimme: Vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland reden alle Bundesparteien viel über Hilfsprogramme für den Osten, auch um die AfD kleinzuhalten. Was ist im Osten Ihrer Meinung nach nötig?
Bodo Ramelow:
Wir brauchen mehr Selbstbewusstsein und ein kraftvolles Auftreten als ostdeutsche Region. Unsere Stärke als Ministerpräsidenten war bisher, dass wir uns bei wichtigen Themen für die Region nicht auseinanderdividieren lassen haben. Nötig ist, bei der Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nicht nachzulassen und offen Fragen endlich zu regeln, etwa Benachteiligungen bei den Renten. Oder die Verteilung von Bundesbehörden: Im Schnitt kommen in Deutschland auf 1000 Einwohner 2,2 Bundesbedienstete. Sachsen hat 0,9 und Thüringen hat gar nur 0,7. Dass muss sich ändern. Die Menschen warten auf Taten und nicht auf das nächste Ost-Programm.

Sie wollen gern im Amt bleiben. Für Rot-Rot-Grün reicht es den Umfragen zufolge aber nicht. Was dann? Auch eine Koalition mit der CDU?
Alle Umfragen reichen derzeit für nichts. Deswegen lasse ich mich davon nicht verrückt machen. Ich werde bis zum 27. Oktober, 18 Uhr, für eine rot-rot-grüne Mehrheit kämpfen, damit ich mit meiner reformorientierten Politik weitermachen kann.

Nochmal: Würden Sie auch mit der CDU zusammen regieren?
Alle Umfragen reichen derzeit für nichts. Deswegen lasse ich mich davon nicht verrückt machen. Ich werde bis zum 27. Oktober, 18 Uhr, für eine rot-rot-grüne Mehrheit kämpfen, damit ich mit meiner reformorientierten Politik weitermachen kann.

Das Kernthema für die AfD scheint mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen abgeräumt. Dennoch hat die Partei im Osten hohe Werte. Warum?
Objektiv waren die Herausforderungen zu meistern, subjektiv gibt es ein hohes Unsicherheitsgefühl. Dadurch hat sich die Angst vor Fremden viel stärker ausgebreitet. Das macht es nicht einfacher, jetzt die Zuwanderung zu organisieren, die wir dringend brauchen, denn schon jetzt braucht jede ausgeschriebene Stelle sechs Monate, bis sie besetzt wird. Auch deshalb fliege ich im April nach Vietnam.

Wollen Sie Arbeitskräfte direkt abholen?
Schon jetzt gibt es 140 vietnamesische Azubis in Suhl in verschiedenen Branchen. Dazu haben wir 180 Vietnamesen in Erfurt. Insgesamt wollen wir bis zu 1000 Azubis aus Vietnam anwerben – alles in Kooperation mit der vietnamesischen Regierung und den Unternehmen. Keiner kommt zu uns, der nicht vorher schon Deutsch gelernt hat und nicht schon in Vietnam weiß, in welchen Betrieb er kommt.

Das Konzept erinnert stark an die Vertragsarbeiter in der DDR, mit denen es wenig Probleme gab ...
Genau, und das sagen auch unsere Unternehmer. Deshalb haben wir eine Agentur in Vietnam – und es funktioniert. Das Gleiche passiert in der Ukraine: Dort lernen junge Leute an der TU Lemberg Deutsch und machen dann ihre Gas-tronomie-Ausbildung in Erfurt. Und das Uni-Krankenhaus Jena hat Vereinbarungen mit zwei Schulen in Süditalien. Nun darf man Flucht und Flüchtlinge nicht vermischen mit Zuwanderung. Aber die Angst können wir nur überwinden, wenn wir Zuwanderung als Bereicherung für uns empfinden. 

Bleiben wir bei Asien: Sie bekommen ein chinesisches Batteriewerk nach Erfurt. Das Misstrauen gegenüber Investitionen aus China wächst. Wie sehen Sie das?
Ich teile die Bedenken nicht: Wir haben schon eine hohe industrielle Verflechtung mit China. Piko-Eisenbahnen gibt es etwa nur deshalb, weil das Unternehmen in China produziert. Wir wollen als Landesregierung die Kooperation mit China weiter ausbauen. Das Gleiche würde ich mir für Russland wünschen. Da werden wir in einen Konflikt hineingezogen, der den mitteldeutschen Ländern ökonomisch nur schadet. 

Thüringen ist ein Wintersportland: 2023 wird die Biathlon-WM in Oberhof ausgetragen. Die Investitionen dafür werden auch kritisiert. Was sagen Sie?
Oberhof ist unser Leistungszentrum. Dort gibt es beste Trainingsbedingungen für Biathlon! Was wir da oben haben, ist mit Gold gar nicht aufzuwiegen. Wir müssen aber investieren, um international mitzuhalten. Und wenn das Panorama-Hotel in Oberhof den Eindruck erweckt, als müsste man noch den FDGB-Ferienscheck abgeben, bin ich froh, dass es nun grundlegend saniert wird.