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Privater Strafvollzug von Menschenrechtlern und Kirchen kritisiert / Aufstand in Mississippi macht Missstände deutlich US-Gefängnisindustrie verdient sich an Häftlingen eine goldene Nase

04.06.2012, 03:42

Das Konzept ist jedoch hoch umstritten: Es sei unmoralisch, davon zu profitieren, dass man Menschen einsperrt, warnen Menschenrechtsverbände und Kirchen. Kritiker stellen zudem die "Qualität" der Privaten in Frage. Dies zeigt der Skandal nach einem Häftlingsaufstand, bei dem ein Gefängniswärter getötet wurde. Das FBI ermittelt und Politiker fragen, ob private Haftanstalten wirklich Sinn machen.

Zum Aufstand kam es kurz vor Pfingsten im "Adams County Correctional Center" in Natchez (Mississippi). Hunderte Häftlinge nutzten Besenstiele, Mülltonnendeckel und weitere "Waffen" und nahmen Wärter als Geiseln. Ein 24-jähriger Wärter wurde dabei erschlagen. Ein Häftling hatte gegenüber einem TV-Sender beklagt, die Gefangegen würden oft misshandelt, das Essen und die medizinische Versorgung seien schlecht.

Das Gefängnis für 2500 Insassen wird von der Firma "Corrections Corporation of America" (CCA) gemanagt. Landesweit betreibt diese größte US-Gefängnisfirma mit Hauptsitz in Nashville (Tennessee) mehr als 60 Gefängnisse mit insgesamt 80000 Insassen und 17000 Angestellten.

Privatisierte Haftanstalten sparten dem Staat Geld und arbeiteten flexibler und effektiver, wirbt die 1983 gegründete Firma. Der Leiter des Menschenrechtsverbandes "Private Corrections Working Group" in Tallahassee (Florida), Ken Kopczynski, will diesen Behauptungen nicht glauben. Kostenvergleichsstudien würden sich zum Teil widersprechen.

Der Vorfall im "Adams County Correctional Center" erinnere an "bekannte Probleme" mit der "Gefängnisindustrie", sagte Kopczynski: Um Profit zu maximieren, werde nicht genügend Personal eingestellt, die Ausbildung sei dürftig und die Haftbedingungen problematisch. Der Kongressabgeordnete Bennie Thompson, in dessen Wahlkreis das umstrittene Gefängnis steht, rief die US-Heimatschutzbehörde an. Man müsse prüfen, ob die Gefängnisfirmen wirklich der öffentlichen Sicherheit dienten.

In wohl keinem Land der Welt werden so viele Menschen eingesperrt wie in den USA. 2,2 Millionen Männer und Frauen sind hinter Gittern, rund ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Doch aus Sicht der privaten Gefängnisindustrie ist der Inhaftierungstrend eher ungünstig: Nach einer "Häftlingsexplosion" in den 80er und 90er Jahren stagnieren die Insassenzahlen.

Selbst Kalifornien, Georgia und das als "Law-and-Order-Staat" bekannte Texas führen alternative Vollzugsmaßnahmen ein für "nicht gewalttätige" Kriminelle, die ihre Strafen unter Hausarrest absitzen dürfen oder zur gemeinnützigen Arbeit verurteilt werden.

Der "Corrections Corporation of America" macht das offenbar Sorgen. Wie die Internet-Zeitung "Huffington Post" berichtete, hat die Firma Behörden und Politiker in 48 der 50 Bundesstaaten mit dem Angebot kontaktiert, Haftanstalten zu übernehmen. Allerdings müsste eine Belegung von 90 Prozent gewährleistet sein.

Das große Geschäft machten Gefängnisfirmen derzeit mit der Inhaftierung "illegaler Einwanderer", die abgeschoben werden sollen, erklärte Kopczynski. Die Einwanderungsbehörde zahle den Betreibern 90 bis 100 Dollar pro Tag für jeden Häftling.

Laut Verband "Detention Watch" sitzen rund 32000 Männer und Frauen ohne Papiere in 178 "Immigrationsgefängnissen" in Haft; 30 davon sind privat. Auch im "Adams County Correctional Center" sitzen hauptsächlich "Illegale", wie CCA-Sprecher Steve Owen sagte. Eigentlich habe man diese Häftlinge als geringe Sicherheitsrisiken eingestuft. (epd)