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Konfrontation in Caracas Wie tickt Venezuelas Gegenpräsident Guaidó?

07.03.2019, 12:50

Caracas (dpa) - Was für ein Politiker ist der 35-jährige Juan Guaidó, der sich als bis dato nahezu Unbekannter am 23. Januar selbst zu Venezuelas Interimspräsidenten ernannt hat?

Für Regierungschef Nicolás Maduro ist er "eine der politischen Marionetten" der USA. Für die Opposition ist er eine unerwartete Führungsfigur. Nach Ansicht von Geoff Ramsey vom Forschungsinstitut Washington Office on Latin America (WOLA), gibt es viele Fragen zur politischen Identität Guaidós. "Was wir wissen, ist, dass er wie die Mehrheit der oppositionellen Fraktionen in Venezuela eine Mischung aus Liberalem und Sozialdemokrat ist."

Der Diplom-Ingenieur und Vater einer kleinen Tochter aus der Hafenstadt La Guaira zählt zu den jungen Politikern der Opposition, die als Generation der Studentenproteste 2007 bekannt wurde. Im Parlament sitzt er für die Partei Voluntad Popular (Volkswille), zu dessen Mitbegründern er zählt. Anfang Januar wurde er zum Parlamentschef gewählt. An vorderste Front seiner Partei rückte er, weil andere Oppositionelle ins Ausland geflohen sind oder - wie sein politischer Ziehvater Leopoldo López - in Haft oder Hausarrest sitzen.

"Das Bedeutsamste ist, dass er neu ist", sagt der stellvertretende Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Günther Maihold der Deutschen Presse-Agentur. "Er entspricht nicht den Mustern der traditionellen Politiker vor der Chávez-Zeit. Von dieser Erblast ist er befreit." Entsprechend entkomme Guaidó auch der Diskreditierung als "US-Marionette". Gleichzeitig sei er eine Figur, mit der sich viele Venezolaner identifizieren könnten: Nicht aus dem klassischen Establishment, sondern einer kinderreichen Familie der Mittelschicht, laut Maihold kein "Haudrauf-Typ" wie Maduro. Ein Charismatiker.

Der venezolanische Politologe Carlos Torrealba von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (FLACSO) hält Guaidós Unbeschriebenheit auch für einen Vorteil innerhalb der Oppositions-Flügel. Torrealba verweist zudem auf die christliche Seite Guaidós: "Da er von der Katholischen Universität Andrés Bello kommt, sind seine Inhalte sehr auf die christliche Demokratie ausgerichtet. Er erwähnt Gott oft."

Ein Knackpunkt für Guaidó dürfte nach Sicht der Politologen das mächtige Militär bleiben, dessen Unterstützung Guaidó nicht hat. "Die legitime Macht zu haben, ist das Eine, das Andere ist die Macht de facto", meint WOLA-Vizeleiter Ramsey. Auch Maihold schätzt die Chancen gering ein, dass er die Armee für sich gewinnen kann. "Das ist ein extrem aufgeblähter Militärapparat, der eng an die Versorgungsströme des Landes und der Regierung angeschlossen ist." Guaidó bleibe nur, die Massen zu mobilisieren, damit den Druck auf das Regime zu verstärken und Maduro so zu Zugeständnissen zu zwingen, meint Maihold. "Eine schnelle Lösung deutet sich in Venezuela nicht an."

Maduro in CNN (Spanisch)

Voluntad Popular

Interview mit Guaidós Mutter

Selbsternennung Guaidós zum Interim-Präsidenten