1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Rumänien braucht Vermittler

Proteste Rumänien braucht Vermittler

Auch nach der Rücknahme des Dekrets wird in Rumänien weiter gegen die Regierung demonstriert.

Von Kathrin Lauer 14.02.2017, 23:01

Bukarest (dpa) l Wie lange kann man bei beißenden Minusgraden täglich auf der Straße gegen die Regierung demonstrieren? Die Rumänen tun es seit zwei Wochen, mal zu Tausenden, mal zu Zehntausenden, mal zu Hunderttausenden. Einer derjenigen, der diese beispiellosen Proteste in Gang gesetzt hat, ist der 28-jährige IT-Angestellte Florin Badita. So mancher könnte ihn für einen schrägen Typen halten.

Auslöser der Proteste war eine Eilverordnung der Regierung, die Kritikern zufolge den Kampf gegen Korruption bremsen würde. Nach einem Rückzieher der Regierung befürchten die Demonstranten, dass die umstrittene Regelung doch noch im Parlament durchgesetzt wird. Sie hegen weiter Misstrauen gegen die sozialliberale Mannschaft von Ministerpräsident Sorin Grindeanu, selbst wenn bisweilen in der Demonstrantenszene Müdigkeit einsetzt.

Rund 1500 Unerschütterliche demonstrierten am Montagabend in Bukarest bei minus fünf Grad Celsius und etwa 400 im siebenbürgischen Cluj (Klausenburg), dem Wohnort Baditas. Der schlaksige Mann mit seiner braunen, fast hüftlangen Mähne hat sein Psychologiestudium abgebrochen, ist autodidaktischer IT-Spezialist und Performance-Künstler. Er denkt sich immer neue kreative Events für die Demos aus, um die Proteststimmung aufrecht zu erhalten.

Bekannt war Badita vorher als Gründer der Facebook-Gruppe „Korruption tötet“ („Coruptia ucide“), die nach dem verheerenden Nachtclub-Brand 2015 in Bukarest mit 64 Todesopfern entstanden war. Das Unglück wird der Korruption bei Stadtverwaltung und Brandschutzamt zugeschrieben. Damals gab es Straßenproteste, die binnen weniger Tage zum Rücktritt der Regierung führten.

Vorarbeit leistet Badita mit intensiver Online-Kommunikation mit Hunderten Aktivisten. Entscheidungen werden einvernehmlich getroffen, Profilierungssucht ist unerwünscht. Oft wisse man nicht, wo eine Idee herkam – darunter auch diese: In Bukarest hatten die Demonstranten zur allgemeinen Verblüffung nach Ende ihrer Kundgebungen regelmäßig den Müll vom Ort der Proteste entfernt. „Wir wollten zeigen, dass wir zivilisierte Leute sind“, sagt Badita.

Ideologisch steht Badita für alles, was Nationalisten hassen: Zweimal hat er bereits in der Bukarester U-Bahn nach westlichem Vorbild den No-Pants-Day organisiert. Ausgerechnet im tief religiös geprägten nordöstlichen Iasi gestaltete er eine Performance, in der er sich selbst mit einer Bibel ohrfeigte – aus Protest gegen religiöse Indoktrination im Schulunterricht. Ist er nun der Führer der neuen rumänischen Protestbewegung? „Nein, überhaupt nicht“, sagt er. „Wir brauchen keine Führer, sondern nur Vermittler. Und so einer bin ich.“