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Bundespoltik „Linke ist der stabile Faktor im Land“

Auf dem Listenparteitag der Linken zur Landtagswahl am Wochenende kandidiert Jan Korte für den ersten Platz.

01.02.2021, 11:54

Mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion aus Anhalt sprach Steffen Honig.

Volksstimme: Sachsen-Anhalt hat sein eigenes Superwahljahr mit Urnengängen für Land und Bund. Können Wahlen in der Pandemie regulär sein?

Jan Korte: Regulär ist gar nichts in diesem Jahr. Aber es ist notwendig, dass die Wahlen stattfinden. Insbesondere um die abgewirtschaftete Koalition in Sachsen-Anhalt abzulösen. Und damit die Leute in diesen Zeiten merken: Die Demokratie funktioniert und wir können ordnungsgemäß unsere Stimme abgeben.

Im Land deutet laut Umfragen derzeit alles auf eine Kenia-Wiederholung hin. Oder sehen Sie noch Chancen für Rot-Rot-Grün?

Ich glaube, in Pandemie-Zeiten kann man gar keine Prognose mehr abgeben. Wir haben eine starke Linke mit der Top-Spitzenkandidatin Eva von Angern, die gerade dafür steht, es anders zu machen, seriös zu sein. Wenn ich mir den Zustand der anderen Parteien ansehe, zeigt sich: Die Linke ist der soziale und stabile Faktor im Land.

Zum Mitregieren wären Sie bereit?

Wenn wir eine sozialere Politik durchsetzen können, sind wir bereit, zu regieren. Das gilt für das Land wie für die Bundesebene. Wir hatten auch schon vor der Pandemie 2000 Lehrer zu wenig in Sachsen-Anhalt. Das wollen wir ändern. Unsere Politik hat ein klares Profil, zu dem ein starker Sozialstaat und eine Entprivatisierung der Krankenhäuser gehören.

Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD im Land. Könnte der Partei daraus eine Märtyrerrolle erwachsen?

Dass die AfD ein Nazi-Problem hat, ist ohne Verfassungsschutz offensichtlich. Wer als AfD einem Donald Trump mit dessen verheerender Corona-Politik die Daumen gedrückt hat, ist politikunfähig. Es geht um Sachsen-Anhalt. Darum, dass Pflegekräfte endlich vernünftig bezahlt werden. Wir müssen für die überfällige Angleichung der Ost- und Westlöhne kämpfen. Da ist die AfD ein Totalausfall.

Ihr Landesvorstand hat Sie als Spitzenkandidat der Linkspartei im Land für die Bundestagswahl nominiert. Im Zentrum steht die Überwindung der Pandemie. Was will die Linke dafür tun?

Wir fragen: Wer hat dieses Impfstoffdesaster zu verantworten? Warum werden die Lizenzen für Impfstoffe nicht freigegeben, damit auch andere sie produzieren können? Wann gibt es endlich ein gerechtes, gut ausgestattetes Bildungssystem, wann hört dieses Chaos an den Schulen auf? Darum werden wir uns kümmern. Stichwort Zusammenhalt in der Pandemie: Unsere zentrale Forderung ist, dass nicht die kleinen Leute für diese Krise zahlen müssen. Die Zahl der Milliardäre in Deutschland ist in dieser Zeit von 114 auf 116 gestiegen. Deshalb wollen wir diese Leute mit einer einmaligen Vermögensabgabe an der Gemeinschaft beteiligen.

Die Linke konzentriert sich naturgemäß auf ihre Klientel, die sozial Schwächsten. Was ist mit den Menschen, die mit ihrer Arbeit, ihren Steuern den Staat finanzieren?

Das ist unser zentrales Thema. Diejenigen, die hart arbeiten, die versuchen, anständig ihre Kinder zu erziehen, die zum Teil in Kurzarbeit sind, die fürchten, ihren Job zu verlieren – um diese Menschen wird sich viel zu wenig gekümmert. Es ist der Schwerpunkt der Linken, ihnen Sicherheit zu geben. Der Staat muss für eine vernünftige Infrastruktur sorgen und dafür, dass die Mittel, die zur Verfügung gestellt werden, auch ausgezahlt werden. Beispiel: Beim Einkaufen sollen FFP2-Masken getragen werden. Das kann ich mir als Abgeordneter leisten. Aber viele haben trotz drei Jobs die drei, vier Euro nicht übrig. Das muss geregelt werden.

Es gibt andere Spaltlinien in der Gesellschaft: Friseure und Restaurants haben zu, Beschäftigte beim Bau oder dem öffentlichen Dienst verdienen normal ihr Geld.

Stimmt. Für die Lufthansa sind ruckzuck neun Milliarden Euro da. Bei Friseuren oder meiner Stammkneipe dauert das ewig. Die Bundesregierung versagt, weil sie keinen Plan vorlegt, wann was geschehen soll. Und wir brauchen Perspektive für die Zeit nach der Pandemie, für eine gerechtere Gesellschaft. Kassiererinnen oder Reinigungskräfte haben sich schon vor Corona in unsicheren Arbeitsverhältnissen krumm gearbeitet. Diese Menschen brauchen nicht nur Respekt, sondern bessere Löhne und Schutz vor Ausbeutung. Dafür kämpft die Linke.

Einen Schlingerkurs fährt die Regierung beim Homeoffice: Aus dem Recht darauf ist eine Pflicht geworden. Sicher gibt es in der Krise jähe Wendungen. Aber wo ist der Kompass?

Dieser Kompass fehlt. Ich glaube, es gibt in der Gesellschaft eine breite Akzeptanz für das Maskentragen und dafür, sich an die Regeln zu halten. Entscheidend ist, dass die Maßnahmen logisch und nachvollziehbar sind. Da muss Transparenz her. Was das Homeoffice betrifft: Bei privaten Zusammenkünften wird Kontaktreduzierung gefordert. Nur in der Wirtschaft gilt das nicht. Bei den Unternehmen, wo es möglich ist, sollen die Beschäftigten natürlich im Homeoffice arbeiten. Aber Millionen können das nicht. Was ist mit den allgegenwärtigen Paketboten? Die brauchen vernünftigen Arbeitsschutz wie FFP2-Masken. Dafür müssen Konzerne wie Amazon und andere, die sich dumm und dämlich verdienen, sorgen. Die Politik muss hier nicht als Bittsteller auftreten, sondern die Unternehmen dazu verpflichten. Der Markt ist in diesem Land alles, die Menschen sind fast nichts. Das muss umgedreht werden.

Jede Krise ist die Stunde der Regierung. Das wurde zu Beginn der Pandemie auch weithin akzeptiert. Inzwischen ist die Opposition lauter geworden, aber sie dringt kaum durch.

Wir haben eine inakzeptable Verselbständigung der Regierung. Die Runde der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Da habe ich eine grundsätzliche Haltung. Wenn in einer Tiefe in die Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen wird, wie es das noch nie gab in der Geschichte der Bundesrepublik, muss das durch die gewählten Volksvertreter geschehen und nicht in irgendwelchen Kungelrunden. Das muss im Bundestag diskutiert werden. Es wäre auch sinnvoll, wenn die Bundeskanzlerin nicht nur Berater einladen würde, die ihre Position teilen.

Die Wahl neuer Parteivorsitzender der Linken steht noch aus, ebenso die deutschlandweite Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl. Wann soll es Klarheit geben?

Wir werden Ende Februar einen virtuellen Bundesparteitag haben, als ein Signal des Aufbruchs. Ich rechne damit, dass die designierten Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow gewählt werden. Ihre Aufgabe wird es auch sein, die Frage der Spitzenkandidatur möglichst schnell zu klären und den Laden zusammenzuhalten.

Wie sehr haben Candy Crush und „Merkelchen“ von Bodo Ramelow der Linkspartei geschadet?

Als Wolfgang Schäuble während der Finanzkrise Sudoku gespielt hat, hat sich niemand so aufgeregt. Ramelow hat sich entschuldigt. Wir sind alle nur Menschen.