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Jugendwerk Tobias Bütow zur französischen Partnerschaft

Der Magdeburger Tobias Bütow will als neuer Jugendwerk-Chef die Verbindungen zu Frankreich ausbauen.

Von Steffen Honig 07.03.2019, 00:01

Magdeburg l Tobias Bütow ist seit Anfang März 2019 der neue Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Im Interview sprach er über deutsch-französische Verbindungen.

Volksstimme: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat einen dramatischen Appell für Erhalt und Umbau der EU gestartet. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß?
Tobias Bütow: Mir fällt niemand unter den Vorgängern Macrons ein, der sich ähnlich pro-europäisch positioniert hätte. Dieser französische Präsident ist ein Glücksfall für Deutschland. Dies bestätigt dieser Appell. Wir wissen hier einen Partner und Freund, der sich nicht vor Kritik im eigenen Land scheut. An seiner Seite hat er das deutschfreundlichste Kabinett seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Das ist eine große Chance für die Zukunft, speziell der Jugend.

Was wollen Sie beim deutsch-französischen Jugendaustausch zuerst angehen? Manches scheint sehr eingefahren zu sein.
Im Tandem mit meiner französischen Kollegin Béatrice Angrand leite ich eine dynamische internationale Organisation, die seit mehr als 55 Jahren besteht. Wir haben eine gewachsene und breitgefächerte Partnerschaftskultur, arbeiten mit Schulen, Kammern und Universitäten zusammen. Als gebürtiger Magdeburger finde ich es jedoch schmerzlich, dass die deutsch-französische Partnerschaft in Ostdeutschland ganz generell nicht ausreichend verankert ist. Das ist in der historischen Ost-West-Teilung und in der geografischen Lage begründet. Es erklärt einen Teil der Europa-Skepsis im Osten, die ich als Risiko für unsere Gesellschaft empfinde.

Wie ließe sich das ändern?
Nur 5,5 Prozent der kommunalen Partnerschaften zwischen Deutschland und Frankreich sind in Ostdeutschland angesiedelt! Das Manko bei Frankreich-Kontakten steht in keinem Verhältnis zu Bevölkerung und Bedeutung des Ostens. Wir wollen uns für mehr Partnerschaften einsetzen, von Schulen bis hin zu Handwerkern: Hiesige Bäcker lernen Baguette und Croissants zu backen und die französischen die Kunst des Schwarzbrotes. Alle sind hier gefragt: Bürgermeister, Schuldirektorinnen, Ausbildungsleiter.

Partnerschaften haben gewiss ihren Wert, was kommt hinzu?
Wir wollen gegen die sozio-kulturelle Benachteiligung junger Leute aus weniger priveligierten Milieus angehen. Die jeweils andere Sprache zu lernen, erhöht die beruflichen Möglichkeiten. Auch für diejenigen, denen es nicht in die Wiege gelegt wurde, ist Europa eine Lebenschance. Das Jugendwerk ist zudem nicht exklusiv für Deutschland und Frankreich da, sondern arbeitet auch mit weiteren Ländern zusammen. Ein Beispiel ist das vor zwei Jahren gegründete Jugendwerk für den Balkan, bei dem wir unsere Erfahrung der deutsch-französischen Versöhnung einbringen können.

Wie stark ist die Jugend bei der Protestbewegung der Gelbwesten in Frankreich präsent?
Die Jugendlichen waren am Anfang stärker vertreten, was mit dem Unmut über eine Schulreform zu tun hatte. In dieser Phase brannten – wie in Toulouse – die Schuleingänge. Das ebbte aber nach zwei bis drei Wochen spürbar ab.

Glauben Sie, dass diese Jugendlichen und ihre deutschen Altersgefährten zur Europawahl gehen werden?
Ich hoffe das sehr. Ist es doch für jeden die Chance, das beklagte Demokratie-Defizit in der EU selbst mit abzubauen. Das Brexit-Chaos in Großbritannien zeigt: Die Jüngeren sind nicht ausreichend zum Referendum gegangen und die Älteren haben etwas abgestimmt, was offensichtlich nicht im Interesse der nächsten Generation liegt.

Sie haben in den vergangenen neun Jahren in Frankreich gelebt. Was schätzen Sie an Frankreich, was an Deutschland?
Die französische Lebensart mag ich sehr. In Frankreich nehmen sich die Menschen viel Zeit für gemeinsames Essen und Treffen mit Freunden. Frankreich wurde mir zu einem zweiten Zuhause, ganz klar. In Deutschland ist unsere parlamentarische Demokratie weniger auf Konflikt ausgerichtet als das französische Präsidialsystem. Die Deutschen bilden Koalitionen, um die Interessen aller Bürger abzubilden. Vielleicht findet auch deswegen die Gelbwesten-Idee hier weniger Anklang?