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Ost-Wahlen AfD bedroht CDU-Bastion Sachsen

Die Landtagswahlen 2019 werden das Parteiengefüge in Ost­deutschland durcheinanderwirbeln. Die Union bangt in Sachsen um die Allmacht.

Von Steffen Honig 27.02.2019, 00:01

Magdeburg/Dresden l „Die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen.“ So sprach Kurt Biedenkopf (CDU), gern auch „König Kurt“ genannt, ehedem Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, im Jahr 2000.

Damit lag der Landesfürst schwer daneben, wie seit Jahren klar ist. Nur zugegeben hat es niemand von seinen Nachfolgern aus der Union, bis Stanislaw Tillich im Februar 2016 erklärte: „Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus, und es ist größer, als der ein oder andere bisher wahrhaben wollte.“

In keinem anderen Bundesland sind während der Flüchtlingskrise Rassismus und Fremdenfeindlichkeit so stark zutage getreten wie in Sachsen. Die islamfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden bereitete nicht den Boden, sie nutzte einen gut gedüngten Acker aus. Nach dem Tod eines Deutsch-Kubaners in Chemnitz im Sommer 2018 erschütterte der Ausbruch rechtsradikaler Gewalt die Republik.

Zwischenzeitlich hatte Michael Kretschmer jedoch den betulichen, stets zögerlichen Tillich als Ministerpräsident abgelöst. Kretschmer sorgte für frischen Wind, benannte klar und deutlich die rechtsextremen Auswüchse in Sachsen und ging mit Bürgerforen in die Offensive. Doch in die Zeiten einer absoluten CDU-Herrschaft führt kein Weg zurück. Fast 57 Prozent heimste die Union noch bei der Landtagswahl 1999 ein, seither geht es merklich bergab. Stärkste Partei ist die CDU aber immer geblieben.

Die AfD erreichte bei den Landtagswahlen im Freistaat vor fünf Jahren aus dem Stand heraus knapp zehn Prozent der Stimmen. Das war noch vor der Flüchtlingskrise mit dem selbst von der Merkel-Regierung eingeräumten „Kontrollverlust“ des Staates. Was das bei den Sachsen ausgelöst hatte, zeigte sich bei den Landesergebnissen der Bundestagstagswahl im Herbst 2017.

Die Alternative für Deutschland jagte den Christdemokraten die Spitzenposition ab. 27 Prozent der Wähler stimmten für die AfD, 26,9 Prozent für die CDU. Das desaströses Resultat für Union war Verlusten von 15,7 Prozent geschuldet. Fast 16 Prozent – das ist eine Stimmenzahl im Plusbereich, von dem die SPD nur träumen kann. Die sächsischen Sozialdemokraten dümpeln seit 20 Jahren bei so zehn, zwölf Prozent herum. Immerhin reichte es nach der letzten Wahl mal wieder zu einer Koalition mit der Union, nachdem die FDP aus dem Landtag geflogen war.

Die Integrationsministerin Petra Köpping ist Sozialdemokratin und tourt seit Jahren zu Bürgergesprächen durch Sachsen. Nach den Ausschreitungen von Chemnitz erklärte sie: „Ich warne davor, dass man glaubt, das könnte nur in Chemnitz passieren.“ Zu den Ausschreitungen in der Stadt seien Rechtsextreme aus ganz Deutschland angereist.

Aber Köpping sieht eine entscheidende Ursache für Wut in unverarbeiteten Demütigungen und Kränkungen. Sie mahnt eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Nachwendezeit an. Die Analyse der sächsischen Ministerin scheint zutreffend.

Die AfD hat genau da angesetzt. Die Partei lässt sich nicht auf Fremdenfeindlichkeit und völkisches Getöse reduzieren, sondern gibt sich gerade in Sachsen als Partei des Volkes, sprich Volkspartei im Osten. Die Kümmerer von rechts haben Erfolg, wie weiland die PDS mit ähnlich populistischem Gebaren – nur von der entgegengesetzten politischen Seite. Wenn die CDU, wie nachdrücklich bekundet, im Herbst auf keinen Fall mit der AfD koalieren will, böte sich auch eine Kooperation mit der Linkspartei an. Nur müsste sich dazu der erzkonservative CDU-Landesverband bewegen. Danach sieht es nicht aus. Derweil marschiert die AfD.