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Erziehung Freunde bleiben trotz Kindern

Wenn Freunde Kinder bekommen, treffen oft unterschiedliche Erziehungsstile aufeinander. Ungefragte Tipps schaden dem Verhältnis.

29.07.2018, 09:35

Kiel (dpa) l "Wie kannst du dir deine Karriere so verbauen!?" Diesen Satz hörte Christian Birke aus Kiel von Freunden, als er verkündete, nach der Geburt seiner Tochter in Teilzeit zu arbeiten. Birke, damals Geschäftsführer eines Hotels, versuchte, seine Entscheidung zu erklären. Dass dieses Modell für ihn und seine Partnerin aktuell die beste Lösung sei. Verständnis? Fehlanzeige. Die Freunde meldeten sich immer seltener, mittlerweile ist der Kontakt zu vielen abgebrochen.

„Am Ende hatte ich das Gefühl, dass sie überhaupt keinen Respekt für mich und meine Entscheidung hatten.“ Bewahrheitet hat sich die Befürchtung seiner Freunde übrigens nicht: Birke hat sich beruflich breiter aufgestellt und arbeitet mittlerweile auch als Coach.

Wenn Freunde Kinder bekommen, treffen oft unterschiedliche Lebensentwürfe und Erziehungsstile aufeinander. So ist es der einen Mutter wichtig, nach der Geburt rasch wieder ins Büro zurückzukehren, während ihre beste Freundin beschließt, die ersten drei Jahre mit dem Kind zu Hause zu verbringen. Ein Elternpaar veröffentlicht Fotos seines Kindes auf Facebook, für ein anderes gehören Bilder ausschließlich ins Familienalbum.

Dass Freunde als Eltern unterschiedlich ticken, ist nicht ungewöhnlich: „Wir haben alle unsere eigene Geschichte, unsere eigene Ursprungsfamilie, die uns Werte mitgegeben hat“, sagt Birke. Das heißt: Die Art und Weise, wie man als Kind das Konstrukt Familie erlebt hat, beeinflusst den eigenen Erziehungsstil. Wie Christian Birkes Erfahrung zeigt, kann es in Männerfreundschaften knirschen, wenn zu unterschiedliche Werte aufeinandertreffen. Stärker trifft es jedoch Mütter. Das beobachtet zumindest die Bloggerin und zweifache Mutter Isabel Robles Salgado, die in Berlin lebt. „Das hat sicher damit zu tun, dass die Kindererziehung in unserer Gesellschaft immer noch eher als Aufgabe der Frau gesehen wird. Dort wird vieles kritisch beäugt“, sagt sie. Oft bleibt es unter Müttern nicht allein beim prüfenden Blick. Auch Ratschläge, Kommentare oder ein skeptisches Stirnrunzeln können sich in die Freundschaft mischen.

„Kompliziert wird es vor allem, wenn eine Seite ihre Ansichten dogmatisch vertritt, also wenn sich jemand für einen Experten hält, nur weil er drei Bücher zu einem Thema gelesen hat“, sagt Salgado. Sie selbst hat in ihrem Bekanntenkreis eine Mutter erlebt, die zu den Themen Stillen und Familienbett eine sehr klare Meinung hatte – und diese auch immer wieder in Ratschlägen unterbrachte. Die Folge? „Sie hat sich mit einigen Freundinnen überworfen.“

Doch woher kommt das Bedürfnis, Freunden ungefragt Erziehungstipps zu geben? „Das ganze Thema hat viel mit dem Selbstwertgefühl zu tun“, erklärt Christiane Kutik. Sie arbeitet als Coach für Erziehungsfragen in München. Auch wenn Ratschläge Selbstbewusstsein suggerieren – oft steckt dahinter das Gegenteil: Unsicherheit. Wenn eine enge Vertraute ihr Familienleben ganz anders gestaltet, kann das dazu führen, dass vor allem Frauen ihren Weg in Frage stellen: Bin ich als Mutter gut genug? Mache ich alles richtig? „In diesem Fall ist das Kind der Auslöser, der diese Unsicherheit ans Licht bringt.“

Wenn auf der eigenen Zunge ein Kommentar zum Erziehungsstil einer Freundin liegt, hilft es, die eigenen Gefühle zu hinterfragen. „Sinnvoll ist, sich zu fragen, warum man etwa der Freundin die eigene Meinung aufdrücken möchte. Was genau stört mich? Dabei sollte man ganz ehrlich mit sich sein“, rät Kutik. Selbstzweifel sollten nicht beiseite geschoben, sondern angenommen werden.

Wichtig ist der Unterschied: Tut die Freundin etwas, das ihrem Kind nachhaltig schadet? In diesem Fall ist es legitim, sie vorsichtig darauf hinzuweisen. Geht es aber nur darum, das eigene Ego zu stärken, sollte man sich der Freundschaft zuliebe mit Tipps zurückhalten. „Ungefragte Ratschläge sind ein No-Go“, sagt Kutik.

Kritische Blicke und ungefragte Tipps können eine Freundschaft belasten. Zeit, die Freundschaft zu beenden? Davon rät Christiane Kutik ab. Stattdessen empfiehlt sie, das Thema offen anzusprechen. „Eine Idee ist es, sich ohne Kinder an einem neutralen Ort zu treffen. Das kann etwa ein Restaurant sein, das man früher gerne besucht hat.“ Denn: Wenn eher die alten Zeiten als der aktuelle Familienalltag im Fokus stehen, fällt ein offenes Gespräch leichter.

Kutik empfiehlt, vorsichtig ins Gespräch einzusteigen, etwa mit der Feststellung „Wir lieben beide unsere Kinder und wollen nur das Beste für sie“. Das nimmt den Wind aus den Segeln und zeigt, dass man die Herangehensweise des Gegenübers respektiert. „Zum Schluss kann man vereinbaren: Ich mische mich nicht in deins ein und du dich nicht in meins. Was sagst du dazu?“

Wenn ein Gespräch die Situation nicht verbessert, kann es sinnvoll sein, die Freundschaft vorläufig auf Eis zu legen. „Freundschaft bedeutet Unterstützung, für den anderen da sein, zuhören, ohne gleich alles zu kommentieren“, beschreibt Christian Birke. Ist dieses Fundament nicht mehr gegeben, sollte man sich fragen, ob es sinnvoll ist, sich eine Pause voneinander zu nehmen.