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Hitzewelle Berlin streitet über Hitzefrei

Eine Hitzelle jagt die andere. Mitarbeiter der Bauverwaltung in Berlin dürfen nun um 14 Uhr nach Hause gehen.

07.08.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Die von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) angeordnete „Hitzefrei“-Regelung für Beschäftigte ihrer Senatsverwaltung sorgt für heftige Kritik. Die Mitarbeiter können angesichts extremer Temperaturen seit Dienstag drei Tage lang jeweils um 14 Uhr nach Hause gehen, ohne die versäumte Arbeitszeit nachzuholen. CDU und FDP, aber auch der Bund der Steuerzahler finden das befremdlich – Lompscher hingegen angemessen.

„Auch wenn Mitarbeitern in Behörden verständlicherweise Hitzefrei gewährt wird, die Arbeit darf deshalb natürlich nicht liegenbleiben“, mahnte der Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion, Christian Gräff. Dass nun ausgerechnet Lompscher auf die Pflicht zur Nacharbeit verzichte, sei angesichts der Probleme beim Wohnungsbau nicht nachvollziehbar.

Die FDP-Fraktion kritisierte Lompscher ebenfalls. „Was sich die Senatorin hier erlaubt, ist schon ungewöhnlich“, sagte die finanzpolitische Sprecherin Sibylle Meister. „Der Wohnungsbau kommt nicht voran, Baugenehmigungen stehen aus, die neuen Regeln für Ferienwohnungen bereiten viele Probleme. Und Frau Lompscher gibt ihren Mitarbeitern sommerfrei. Das ist wirklich unglaublich.“

Kritik kommt auch vom Bund der Steuerzahler Berlin. „Klar ist, kein Mensch kann bei 35 Grad produktiv arbeiten“, sagte Vorstandschef Alexander Kraus. „Aber die Arbeit muss natürlich erledigt werden. Das gilt gerade für in einen Bereich wie der Verwaltung, in dem oft von fehlenden Kapazitäten die Rede ist, wenn Dinge sich verzögern.“ Nach Einschätzung von Kraus könnte etwa die Arbeitszeit in die früheren Morgenstunden verlegt werden. Wo das möglich sei, spreche auch nichts gegen eine Verkürzung an einzelnen Tagen, wenn die Arbeitszeit an einem anderen Tag nachgeholt werde. „Das ganz freizugeben, finde ich schwierig, in anderen Branchen haben die Mitarbeiter diese Möglichkeit schließlich auch nicht.“ Eine Sprecherin Lompschers verteidigte die Regelung dagegen als angemessen. Die Senatorin habe eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern und wolle diese vor gesundheitlichen Schäden durch die extrem hohen Temperaturen in den Büros schützen.

Dort seien die Büros aktuell schon am Morgen oft 30 Grad warm. Später sei es dort teils unerträglich heiß, weil Klimaanlage, Lüftung oder funktionierende Jalousien in dem Gebäude fehlten, das demnächst saniert werden soll.

Die Kernarbeitszeit im Haus, in dem die Beschäftigten wie in anderen Verwaltungen in Gleitzeit arbeiteten, ende ohnehin um 15 Uhr, es gehe also letztlich um eine Stunde. „Dadurch kommt der Wohnungsbau nicht zum Erliegen“, so Sprecherin Petra Rohland. Nicht jeder Mitarbeiter verlasse das Büro um 14 Uhr, zudem fingen etliche früher an als sonst üblich.

Bereits in der Vorwoche hatten einige Senatsverwaltungen ihren Beschäftigten die Möglichkeit eingeräumt, wegen der Rekordhitze früher nach Hause zu gehen – mit oder ohne Berücksichtigung im Arbeitszeitkonto. Auch in dieser Woche haben sich einige Senatoren vorbehalten, so zu verfahren.

Allerdings ist Lompscher inzwischen die einzige, die keine Nacharbeit verlangt. Eine einheitliche Lösung für die Berliner Verwaltung gibt es nicht.

Arbeitsrechtliche Regelungen dazu finden sich in der Arbeitsstättenverordnung und ihren Ausführungsbestimmungen. Demnach müssen Arbeitsräume „eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ aufweisen und es muss eine „ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft“ vorhanden sein. Werte ab 26 Grad in Räumen können demnach in Einzelfällen bereits zu Gesundheitsgefahren führen.

Ab 30 Grad sind Maßnahmen vorgeschrieben, die Lage zu verbessern, etwa mehr Sonnenschutz, bessere Lüftung, das Bereitstellen von Getränken oder eben eine Verlagerung der Arbeitszeit. Ab 35 Grad gilt ein Raum als ungeeignet für Arbeit.

Und in Sachsen-Anhalts? Dort gibt es statt Hitzefrei Gleitzeit und Eis in den Verwaltungen.