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Der Entertainer "Barfuß oder Lackschuh" - Harald Juhnke wäre 90 geworden

Ob "Ein verrücktes Paar" oder "Musik ist Trumpf": Harald Juhnke war im deutschen Fernsehen einer der ganz Großen. Aber er hatte auch eine tragische Seite.

Von Caroline Bock, dpa 05.06.2019, 13:46
Vorhang auf: 50 Jahre dauerte die Karriere von Harald Juhnke. Foto. Istvan Bajzat Foto: Istvan Bajzat
Vorhang auf: 50 Jahre dauerte die Karriere von Harald Juhnke. Foto. Istvan Bajzat Foto: Istvan Bajzat dpa

Berlin (dpa) - Harald Juhnke im Fernsehen, das brachte heute kaum vorstellbare Einschaltquoten, damals, als die Showtreppe noch wichtig war. In den 70er Jahren sahen 20 Millionen Zuschauer "Ein verrücktes Paar" mit Juhnke und Grit Boettcher. Bei der Show "Musik ist Trumpf" waren es sogar noch mehr.

Beides steckt tief in der Retrokiste des deutschen Fernsehens. Jungen Leuten sagt der Name Harald Juhnke nicht mehr so viel. Dabei war er einmal einer der ganz Großen.

Seine Karriere dauerte 50 Jahre. Er war Schauspieler, Entertainer und tragischer Trinker, eine Berliner Schnauze mit Smoking, gern mit dem Lied "Barfuß oder Lackschuh" auf den Lippen. Er sah sich selbst als deutsche Antwort auf Frank Sinatra, er war so Berlin wie Currywurst und Gedächtniskirche. Er starb 2005 an Demenz erkrankt mit 75 Jahren in einem Pflegeheim.

Am Pfingstmontag (10. Juni) wäre Juhnke 90 Jahre alt geworden. Die Fernsehsender, die wegen seiner Sucht und der Eskapaden oft mit ihm haderten, würdigen das mit einer ganze Reihe von Dokus, Filmen und Sketchen. Im Ersten wird er von Comedian Kurt Krömer gefeiert.

Zum Geburtstag sprechen viele Weggefährten sehr warm über Juhnke. So wie in einer ZDF-Doku: Für seine Bühnenpartnerin Barbara Schöne war er ein "Paradiesvogel", der auf dem Seil balanciert ist. Brigitte Grothum, seine Kollegin in der Serie "Drei Damen vom Grill", fand, er sei ein "genialer Schauspieler" gewesen. "Wenn Harald auf dem Plakat stand, war das Haus voll", sagt Ex-Theaterchef Jürgen Wölffer. Die Erinnerungen seines Sohns Peer klingen zwiespältig. Für diesen war er auch der Vater, der wenig zu Hause war.

Was Juhnkes Karriere ausmachte: Es gab nicht nur die Shows und Serien, sondern auch Theater und Filme. Erst am Boulevard, später auch mit Feuilleton-Faktor, das war dem Polizistensohn aus dem Berliner Wedding wichtig. Eine seiner Paraderollen war 1996 "Der Hauptmann von Köpenick", den Katharina Thalbach mit ihm am Berliner Maxim-Gorki-Theater inszenierte. Viel gelobt wurde er für die Hans-Fallada-Verfilmung "Der Trinker" (1995), eine Rolle, vor der er auch gewarnt wurde. Die hatte natürlich eine Menge mit ihm selbst zu tun.

Seine Trinkerei machte über viele Jahre nicht nur in der Boulevardpresse Schlagzeilen. Immer wieder hatte er Ärger, weil er Proben oder Auftritte platzen ließ. Nur bei sehr wenigen deutschen Stars gab es so viele Erfolge neben so vielen Skandalen, oft genüsslich von den Medien ausgeschlachtet. Juhnke machte mit.

In seiner Biografie sah er sich als "müden Mann, der mit sich privat wenig anzufangen weiß - auf deprimierende Weise wenig anzufangen weiß". Das Klischee vom sensiblen Künstler, der sich nach der Show leer fühlt und trinkt: Bei Juhnke war es Wirklichkeit. Er versuchte, mit Sprüchen seine Sucht zu verarbeiten, machte Werbung für Milchgetränke. Heute fände man das wahrscheinlich nicht mehr witzig. Der Umgang mit Alkohol ist anders geworden.

Im Jahr 2001 lud sein langjähriger Manager Peter Wolf zu einer denkwürdigen Pressekonferenz, nachdem sein Schützling schon eine lange Zwangspause hatte. "Harald Juhnke ist unheilbar krank. Sein Geist ist verwirrt. Eine Heilung ist ausgeschlossen", sagte Wolf mit tränenerstickter Stimme. Juhnke werde nie wieder auf einer Bühne oder vor einer Kamera stehen. "Heute endet die wohl schillerndste Nachkriegskarriere eines deutschen Schauspielers und Entertainers."

Wie blickt Wolf heute auf Juhnke? Er habe mehr als 100 Künstler vertreten, sagt der Manager. "Er war mit Abstand der angenehmste Mensch. Keiner hat so eine Vielfalt gehabt wie Harald Juhnke."

Für die Trauerfeier im April 2005 war die Gedächtniskirche zu klein, mehr als 1000 Menschen standen noch rund ums Gebäude, das Fernsehen übertrug live. Begraben ist Juhnke auf dem Waldfriedhof Dahlem. Seine Frau Susanne hat nach seinem Tod ein Buch über die Liebe ihres Lebens geschrieben, darüber, wie sie ihren Mann "an das Vergessen verlor".

Der RBB plant einen Spielfilm über sein Leben. Arbeitstitel: "Der Entertainer". Der Film sei "in guter Entwicklung", so der Sender. Am Drehbuch werde noch gearbeitet. Der Produzent verhandele mit möglichen Partnern. "Wir rechnen mit der Umsetzung im kommenden Jahr." Erst dann kläre sich die Besetzungsfrage. Als Name für die Hauptrolle kursiert Matthias Matschke, dazu sagt der Sender nichts. Der Film soll in der zweiten Jahreshälfte 2020 im Ersten zu sehen sein.

Wie lange sich die Leute wohl noch an ihn erinnern werden? "Ich kenne Menschen, für die ist Harald Juhnke immer noch ein Nachbar, er ist nur zufällig tot. Aber er ist noch da", sagt sein Biograf Harald Wieser im ZDF. Aber dass Jüngere mit dem Namen Juhnke nichts mehr anfangen können: "Das hätte ihn geärgert!"

ZDF-Doku "Harald Juhnke - eine deutsche Legende"

RBB-Mitteilung zu Juhnke-Sendungen

NDR zu "Harald Juhnke - that's life"

- Die Doku "Harald Juhnke – that's life: Ein Mann mit Höhen und Tiefen" läuft am 6. Juni um 22.00 Uhr im NDR, am 7. Juni um 20.15 Uhr im RBB und am 10. Juni um 13.00 Uhr im Ersten

- Das Erste zeigt am 6. Juni um 23.30 Uhr "Krömer feiert Harald Juhnke" (Wiederholung im RBB am 7. Juni um 22.00 Uhr)

Eine seiner Paraderollen: Harald Juhnke als «Hauptmann von Köpenick». Foto: Wolfgang Kumm
Eine seiner Paraderollen: Harald Juhnke als «Hauptmann von Köpenick». Foto: Wolfgang Kumm
dpa
Knapp 34 Jahre waren Harald und Susanne Juhnke miteinander verheiratet. Foto: Nestor Bachmann
Knapp 34 Jahre waren Harald und Susanne Juhnke miteinander verheiratet. Foto: Nestor Bachmann
Zentralbild
Harald Juhnke sah sich als deutsche Antwort auf Frank Sinatra. Foto: Bernd Settnik
Harald Juhnke sah sich als deutsche Antwort auf Frank Sinatra. Foto: Bernd Settnik
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Mit «Musik ist Trumpf» holte Harald Juhnke Millionen vor den Fernsehschirm. Foto: Istvan Bajzat
Mit «Musik ist Trumpf» holte Harald Juhnke Millionen vor den Fernsehschirm. Foto: Istvan Bajzat
dpa