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Studie mit Missklängen Musik-Unterricht in Grundschulen in Gefahr?

Für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern ist Musik wichtig, sagen Experten. Musikalische Bildung werde aber unterschätzt. Eine Studie schaut in die Grundschulen.

11.03.2020, 10:12

Gütersloh (dpa) - Musik ist einer Studie zufolge wichtig für die Persönlichkeitsbildung von Kindern, findet aber in den ersten Schuljahren zu wenig statt.

In den Grundschulen wird demnach zu selten Musikunterricht erteilt - und dann auch noch häufig "fachfremd" von nicht dafür ausgebildeten Lehrkräften. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung hervor, die die Bertelsmann-Stiftung, der Deutsche Musikrat und die Landesmusikräte-Konferenz in Auftrag gegeben hatten. "Der musisch-ästhetische Bereich in der Grundschule ist sehr wichtig, wird aber total vernachlässigt", heißt es dazu auch beim Grundschulverband.

Jungen und Mädchen haben laut der Studie in den ersten vier Schuljahren je nach Bundesland im Schnitt einen Anspruch von ein bis zwei Stunden Musik in der Woche. Zu 43 Prozent werde der Unterricht von Musiklehrern und zu etwa 50 Prozent "fachfremd" erteilt. Geschätzte sieben Prozent der vorgesehenen Stunden fallen demnach aus. Es gibt größere regionale Unterschiede.

Ein großer Mangel an Musikpädagogen

Wie für alle Schulformen und fast alle Fächer bestehe auch bei Musikpädagogen ein großer Mangel, bilanziert die Stiftung. "Den Grundschulen in Deutschland gehen die Lehrer aus."

Wie die Vorsitzende des Grundschulverbands, Maresi Lassek, der Deutschen Presse-Agentur erklärt, seien die Schulen bei Einstellungen oft bemüht, zunächst die Hauptfächer zu besetzen. Die Fächer Musik, Kunst und Sport fielen da hinten herunter. "Musik und Musikunterricht sind bedeutsam für die kulturelle Bildung", betont sie.

Der Mangel sei besonders gravierend für Kinder aus ärmeren Familien, die kaum die Möglichkeit hätten, ins Theater zu gehen oder eine Musikschule zu besuchen und ein Instrument zu lernen. "Das Erleben von Musik fehlt vielen Kindern."

Musikmachen löst positive Emotionen aus

Singen, Tanzen und Musikmachen lösen positive Emotionen und Gemeinschaftsgefühl aus, schildert Lassek. Musik erschließe den Kindern Erfahrungen, die das Interesse an der Kultur insgesamt wecken könnten. "Das ist auch zentral für den weiteren Bildungsverlauf."

Liz Mohn vom Bertelsmann-Stiftungsvorstand sagt, musikalische Bildung in den Grundschulen komme eine zentrale Rolle zu, weil nur diese Schulform alle Kinder erreiche und sie oft der einzige Ort sei, wo Jungen und Mädchen einen Zugang zur Musik erhielten. Ein kleinerer Anteil der Grundschüler hat aber der Bestandsaufnahme zufolge schon heute überhaupt keinen Musikunterricht.

In die Untersuchung waren Daten aus Länderministerien, Statistikämtern und der Kultusministerkonferenz eingeflossen. Die Studie bezieht sich nur auf 14 Bundesländer - nicht auf Bayern und das Saarland. Die dortigen Ansätze seien nicht vergleichbar, erläuterte die Vorsitzende der Landesmusikräte-Konferenz, Ulrike Liedtke. Für die 14 Bundesländer fehlten aktuell 23 000 Musikpädagogen. Die Lücke wird sich nach Prognose der beauftragen Wissenschaftler ohne Maßnahmen noch vergrößern.

Musikmachen ist inklusiv und integrativ

Gemeinsames Musizieren könne bei Inklusion und Integration ebenfalls viel erreichen: "Kinder, die noch kaum ein Wort Deutsch sprechen, tauschen sich über Musik hervorragend aus."

Aber haben nicht Lese- und Rechtschreibfähigkeit der Grundschüler, das Rechnen oder auch das Erlernen von Medienkompetenz Vorrang? Liedtke unterstreicht: "Die Vorstellung, dass sich die Musik hinten anstellen soll, halte ich für falsch."

Studie