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Solokabarett In der Rolle des Mahners

Kabarettist Lars Johansen sinniert über das Ende der Welt. Im Magdeburger Kulturzentrum Moritzhof hatte sein Soloprogramm Premiere.

Von Klaus-Peter Voigt 06.08.2017, 23:01

Magdeburg l Der Zeitgeist ist allgegenwärtig. Mit einem Blick aufs Handy entert der Kabarettist Lars Johansen die kleine Bühne. Mehr als eines Stehtischs und einer nostalgischen Wohnzimmerlampe bedarf es nicht, es zählt einzig und allein das Wort. Johansen bleibt sich treu, er ficht eher mit dem Schwert als mit dem Florett. Es gibt kein Rücksichtnehmen, Probleme werden mit nahezu entwaffnender Offenheit benannt.

Johansens Reise durch die Gegenwart hat auch immer die Zukunft im Blick. Es geht um die Ressourcen der Erde, die wohl bald aufs Jahr gesehen schon im Januar verbraucht sind. Der Mensch bekommt sein Fett weg, der könne ja schließlich die Apokalypse selbst in Gang bringen. Dem Kabarettisten mangelt es nicht eine Sekunde an Themen. Man fühlt sich an ein Maschinengewehr erinnert, die Gedanken sprühen nur so. Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über. Warum sich über Trumps Politik und Handeln wundern? Das war das System Überraschungsei, eigentlich weiß jeder, was in mindestens jedem siebten Ei steckt. Dann besinnt sich der Kabarettist. Eigentlich wollte er doch einmal elegischer, schöner mit seinem Programm anfangen. So beschließt er, sich den netten Dingen zuzuwenden. Mit dem Handy beginnt Johansen zu „tindern“. Dieses Programm auf dem Handy präsentiert seinem Benutzer die Profilfotos, den Vornamen und das Alter einer anderen Person, die zuletzt in einem bestimmten Umkreis auftauchte. So kann es entscheiden, ob ihn eine Konversation mit dem anderen Menschen interessieren würde. Auf der Bühne ist es wie im richtigen Leben, bleibt eine Atempause, wird zum Mobiltelefon gegriffen. Gnadenlos beurteilt Johansen die möglichen Partner. Zu hässlich, zu alt, zu jung, der Finger löscht in einer Tour die Vorschläge, eine Persiflage auf die Allmacht des Handys.

Im schönsten Berliner Dialekt lässt Johansen die Götter der Wikinger und Germanen miteinander plaudern. Odin, Thor und die anderen geben sich an einer Tafel ein Stelldichein. Mag sein, stellt er fest, dass Loki vielleicht ein modernes Netz erfunden hat: das Darknet. Ragnarök, der letzte Kampf der Götter, bedeutet Ende und Neubeginn. Der rote Faden „Schluss jetzt“ geht nie verloren. Zwei Stunden werden zum Rundumschlag, lassen kaum Zeit zum Luftholen, die Pause im Stück scheint notwendig, Luftholen vom Kabarettgewitter und frische Luft schnappen, weil es im Wohnzimmer von Lars warm ist. Der Akteur auf der Bühne nennt sich einen Boten von Parlando, der Gespräche ausliefert, das tut er und führt dabei Gespräche mit sich selbst, wechselt in unterschiedliche Dialekte, reagiert auf aktuelle Politik. Da gibt es keine wirklich fertigen Texte, es wird reagiert und nicht nur agiert. Ist nun wirklich alles zu Ende, aussichtlos oder haben wir noch eine Chance? Johansens Frage steht am Schluss, lässt offen, ob das jüngste wie ein normales Gericht funktioniert.