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Solistin Melina Mandozzi brilliert beim Konzert des Kammerorchesters Wernigerode und des Städtebund-Orchesters Bach, ganz leicht und gelöst

Von Hans Walter 07.10.2013, 01:21

Wernigerode l Mit einer gemeinsamen Tournee durch drei Bundesländer haben das Philharmonische Kammerorchester Wernigerode und das Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters ein großes sinfonisches Fest aus Anlass des Tags der Deutschen Einheit gefeiert. Unter Leitung von Musikdirektor Christian Fitzner wurde ein erlesenes Konzert präsentiert, das nur durch die Kraft beider Orchester möglich war.

Einleitend erklang am Freitag im Fürstlichen Marstall Wernigerode mit vollem Instrumentarium die Meistersinger-Ouvertüre von Richard Wagner, gefolgt von Bachs E-Dur-Konzert, interpretiert durch das Kammerorchester und die junge italienische Geigerin Melina Mandozzi. Ein Ereignis! Die junge Frau mit großer internationaler Solokarriere musizierte "ihren" Bach so entspannt, so gelöst, so leicht und charmant, dass man darüber die technischen Schwierigkeiten des Werkes vergessen konnte.

Sie gab rasches Tempo und bewegte Dynamik des Konzerts für Solovioline, Streicher und basso continuo (Franziska Gruschka) vor - immer im Blickkontakt mit den ersten Violinen, dem Cembalo, den tiefen Streichern. So ungefähr könnte das Musizieren zu Zeiten Bachs ausgesehen haben, als er die Aufführungen vom Solistenpult aus leitete.

Natürlich war Fitzner auch noch da. Er konnte dem wundervollen Klang von Mandozzis Guadagnini-Geige von 1742 lauschen und mit ruhigen Händen dirigieren, weil da völlige Übereinstimmung herrschte.

Die "Große" Sinfonie fordert bis an die Grenze der Erschöpfung

Sechsmal wurde die Solistin vom Applaus vor das Orchester gerufen. Als Zugabe spielte sie eine Eigenkomposition - "Der kleine Fisch". Wie sie Pizzicati- und gestrichene Töne gleichzeitig produzierte, blieb allein ihr Geheimnis. Eben zauberhaft!

Den glanzvollen Schlusspunkt setzte die 8. Sinfonie in C-Dur von Franz Schubert, genannt die "Große". Groß ist sie in der Tat. Sie dauert über eine Stunde! Entstanden um 1825, ist sie das in allen seinen Sinfonien vordem nie erreichte heroische Vermächtnis des Komponisten. Inhaltlich kreist sie um die Begriffe Heimat, Natur, Volk, Nation.

Der erste Satz beginnt mit einem Ruf allein der ganz ausgezeichneten Hörner. Dieses Motiv wird gleich viermal intoniert. Als Holzbläserchoral. Als voller Orchestersatz unter Führung der Posaunen, dann wiederum von den Holzbläsern und Streichern ausgestaltet. Daraus entfaltet sich ein riesiges Panorama in vier langen, intensiven Sätzen, von Fitzner in den Klangfarben, in den Steigerungen, den Tonart- und Harmoniewechseln, den Marsch- wie den Ländler-Rhythmen bis zum Fortissimo-Finale klug, umsichtig und philosophisch ausgedeutet.

Die "Große" Sinfonie forderte Orchester wie Dirigenten bis an die Grenze der Erschöpfung. Die führenden Posaunen, die Celli und Bässe, das ganze Orchester. Es war meisterhaft! Und großartig war es auch, Schuberts 8. Sinfonie zum Tag der Deutschen Einheit zu spielen.