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Zeitreise in die 60er Baselitz, Richter, Polke, Kiefer in Stuttgart

Sie zählen zu den bedeutendsten und auch teuersten Künstlern aus Deutschland. Werke von Georg Baselitz, Gerhard Richter, Sigmar Polke und Anselm Kiefer sind in einer Ausstellung vereint. Im Fokus stehen in der Stuttgarter Staatsgalerie ihre Frühwerke.

Von Linda Vogt, dpa 11.04.2019, 16:58

Stuttgart (dpa) – Rot knallen einem die Großbuchstaben vom Plakat entgegen: BASELITZ - RICHTER - POLKE - KIEFER. Diese vier Namen lässt die Stuttgarter Staatsgalerie für sich sprechen.

Immerhin sind es die Namen jener deutschen Künstler, die es zu Weltruhm brachten, deren Bilder bei Auktionen Höchstpreise erzielen. Vier Künstler, die die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, "dass die deutsche Kunst zum ersten Mal ins Blickfeld internationaler Aufmerksamkeit gerückt ist", wie Kurator Götz Adriani sagt.

Die Ausstellung "Die jungen Jahre der Alten Meister" zur frühen Schaffensphase von Georg Baselitz, Gerhard Richter, Sigmar Polke und Anselm Kiefer ist als eine Zeitreise angelegt. Sie führt zurück in die Bundesrepublik der 60er Jahre – in eine Zeit des Protests, der Utopien, des Umbruchs. Eine Dekade, in der Schlagersänger Heintje die Hitparaden ebenso stürmt wie die Rolling Stones. In der ein jahrelanges Wirtschaftswunder das unfassbare Grauen der Nazi-Zeit weit hinter sich zu lassen droht.

Anselm Kiefer schlüpft 1969 für seine Aktion "Besetzungen" in Stiefel und Militärmantel, die sein Vater im Zweiten Weltkrieg trug. In der Schweiz, Frankreich und Italien lässt er sich den Hitlergruß zeigend auf Fotos festhalten. Ein Skandal, Kiefer wird als Neofaschist beschimpft. Dabei fehle auf den Bildern das Entscheidende, sagt Kurator Adriani. "Die schreiende Masse, die dem Führer zu Füßen liegt. Es sind leere Flächen, leere Räume, vor denen ein relativ hilfloser Künstler in zu großen Stiefeln und einem zu großen Mantel mit dem Hitlergruß agiert." Später malte Kiefer die Szenen in Öl. "Ich wollte hinter dem Erscheinungsphänomen Faschismus, hinter seiner Oberfläche erkennen, was der Abgrund Faschismus für mich selbst bedeutet", so der Maler.

Auch Georg Baselitz schlug Jahre zuvor mit einem Skandal in der Kunstwelt auf. Die Bilder "Die große Nacht im Eimer" und "Der nackte Mann" werden bei seiner ersten Einzelausstellung 1963 beschlagnahmt. Die Onanie-Szenen gelten als obszön, pornografisch, schlicht hässlich.

Dass Baselitz – ebenso wie Richter, Polke, Kiefer – in den 60er Jahren überhaupt malt, noch dazu gegenständlich, gilt an sich schon als bemerkenswert. Der Kunstbetrieb verschreibt sich gerade Happening, Fluxus, Minimalismus. Gerhard Richter malt dagegen Fotos aus Zeitschriften ab. Für "Familie am Meer" dient ein Bild aus der Kindheit seiner ersten Ehefrau als Vorlage.

Die Werke der vier Künstler - knapp 100 sind es insgesamt - vermischen sich in der Ausstellung nicht. Jeder Künstler hat seine eigenen Räume. "Es sind vier Persönlichkeiten, vier Künstlerpersönlichkeiten und vier Monologe, die die gemeinsame Zeit verbindet", sagte der Kurator. Adriani hat als Ausgangspunkt Gespräche mit den drei noch lebenden Künstlern Baselitz, Richter und Kiefer geführt, die im Ausstellungskatalog dokumentiert sind.

Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden zur Eröffnung an diesem Donnerstag auch Kiefer und Baselitz erwartet, wie Staatsgalerie-Direktorin Christiane Lange ankündigte. Bis zum 11. August ist die Ausstellung in Stuttgart zu sehen, danach zieht sie weiter in die Deichtorhallen in Hamburg.

Staatsgalerie zur Ausstellung