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Bewerbung Kulturhauptstadt: Kommt Magdeburg weiter?

Magdeburg will Kulturhauptstadt 2025 werden. Sieben weitere deutsche Städte wollen das auch. Das entscheidet eine Jury in Berlin.

Von Grit Warnat 10.12.2019, 10:15

Magdeburg l Darf Magdeburg weiter träumen vom Titel? Schafft es die Stadt in die zweite Runde? Das Bewerbungsbuch liegt seit Ende September in Berlin. Am Donnerstag fällt dort die Entscheidung über die Shortlist, also jene drei, vielleicht auch vier Städte, die eine Runde weiterkommen im Prozedere. Ins Rennen um die Kulturhauptstadt Europas 2025 gehen die deutschen Städte Chemnitz, Dresden, Gera, Hannover, Hildesheim, Magdeburg, Nürnberg und Zittau.

Das Alphabet entscheidet über die Auftrittszeit der jeweiligen Delegation. Magdeburg wird mit Hildesheim, Nürnberg und Zittau am Mittwoch, dem zweiten Vorstellungstag, vor die zwölfköpfige, international bestückte Jury treten. Eine halbe Stunde soll sich die Stadt präsentieren, danach gibt es eine Frage-Antwort-Runde. Eine zehnköpfige Magdeburg-Delegation fährt für die Präsentation nach Berlin, darunter sind Tamás Szalay, der Leiter des Bewerbungsbüros zur Kulturhauptstadt, Oberbürgermeister Lutz Trümper und (seit langem gesetzt) Magdeburgs Generalintendantin Karen Stone.

Es hängt viel ab von diesem Tag. Sollte es die Stadt in die nächste Runde schaffen, wäre es greifbar, Ende des kommenden Jahres wirklich gekürt zu werden. Trotzdem hat man in der Stadt nicht das Gefühl, dass ein wegweisender Schritt für die kulturelle Zukunft bevorsteht. Es ist keine Spannung zu verspüren. Wer kennt im Vorweihnachtsgewürge schon den Berlin-Termin? Das Kulturhauptstadt-Büro wirbt lediglich auf seiner Homepage. Wer dort sucht, findet denn auch die Namen der Mitstreiter, die Magdeburg in Berlin vertreten werden. Zu einer Vorstellungsrunde vorab wurde nicht geladen.

Magdeburg gehört zu fünf ostdeutschen Städten, die den Titel wollen. Allen gemein ist eine bewegte Stadtgeschichte, die bei den fünf Bewerbern geprägt ist von immensen Brüchen wie Krieg und Deindustrialisierung. Magdeburg erlebte zwei große Zerstörungen. Unter Tillys Truppen wurde die einst pulsierende Stadt im Jahr 1631 dem Erdboden gleichgemacht. Dann schlug die verheerende Bombennacht vom 16. Januar 1945 tiefe Wunden. Dieser Bruch in der Stadtgeschichte ist zwischenzeitlich als Motto diskutiert worden. Letztlich entschieden sich die Bewerbungs-Macher für "Out of the Void", was übersetzt so viel wie "Raus aus der Leere" bedeutet und Ende September wie aus dem Hut gezaubert daherkam.

In Magdeburg hat das Motto nicht nur nicht gezündet, man fand in Gesprächen kaum jemanden aus der Kulturszene, der sich beglückend darüber geäußert hat. Einige Kulturschaffende sprachen von höchst unglücklicher Wortwahl. "Out of the Void" spielt mit Leerstellen, weil da, wo nichts ist, zumindest ein perfekter Freiraum für kreative, innovative Ideen wartet. Aber mancher, der seit Jahren kulturell rackert in dieser Stadt, fühlte sich auf den Schlips getreten. Von anderen kam ein Belächeln, weil sich im Hinterkopf manches unschöne Synonym breitmachte: Nichts, Einöde, Einfallslosigkeit.

Die Ideengeber spielen sehr bewusst mit der Leere, mit dem Vakuum, mit dem Magdeburgs Bürgermeister Otto von Guericke (1602–1686) gehuldigt werden soll, der sich lange mit der Erzeugung und Untersuchung von "leerem Raum" beschäftigt hatte. Sein Pferdeversuch mit den Halbkugeln war spektakulär und ist bis heute legendär. Magdeburg kokettiert werbetechnisch seit langem mit Otto und den Halbkugeln. Sie sind – wie in Berlin die vielfotografierten Bären – überall in der Stadt zu finden. Dem Wissenschaftler Guericke ging es um Antwortsuche auf universelle Fragen. Immerhin hielten die Kugeln zusammen – wie heute die Gesellschaft von Magdeburg?

Die tut sich bis dato schwer mit der Bewerbung. Das liegt auch ein wenig daran, dass die Kulturhauptstadt schon so ewig lange in den Köpfen herumgeistert. Schließlich hatte Magdeburgs Stadtrat schon 2011 mehrheitlich beschlossen, sich zu bewerben. Da stand noch das Datum 2020, das vom EU-Parlament aber wegen der Erweiterung der Europäischen Union um fünf Jahre nach hinten geschoben wurde.

Dieser zeitliche Aufschub nahm von der Anfangseuphorie, als noch im Forum Gestaltung beim dort ansässigen gleichnamigen Verein die Fäden zusammenliefen und über erste Visionen vor allem in der freien Szene so manches angeschoben wurde. Dann hob die Stadt die Erarbeitung von Leitgedanken auf eine neue Ebene. Sie setzte auf Kulturbeiräte, die angeführt wurden von Chefs der städtischen Museen, des Archivs, des Planungsamtes. Da gibt es kluge Köpfe und jede Menge Know-how der Fachleute, aber irgendwie verfestigte sich nach außen hin der Eindruck, dass da "von oben" gemacht wurde. Die Kulturbeiräte sind längst Geschichte, die Arbeitsergebnisse in Strategiepapiere eingeflossen. Man habe nie wieder was gehört, winkt einer ab, der damals in einem Kulturbeirat mitwirkte.

Unter Tamás Szalay, dem Magdeburg vor drei Jahren die Leitung des Bewerbungsbüros übertragen hatte, weil er als kulturhauptstadterfahren gilt (unter der Ägide des gebürtigen Ungarn hatte Pécs 2010 den begehrten Titel geholt), wurde der Kubus 2025, ein Pavillon aus Glas und Stahl, zum Treffpunkt. Dort hat es Diskussionsrunden und Workshops gegeben, in denen sich Kulturschaffende ausgetauscht haben. Trotzdem, so wird immer wieder bekrittelt, sei in der Stadtgesellschaft nicht spürbar, die Vision Kulturhauptstadt schon jetzt zumindest ein klein wenig zu leben.

Das liegt vor allem daran, dass vieles zu verkopft daherkommt, wenn beispielsweise die Elbe als Vermittler internationaler Ideen genannt wird. Handfestes, konkrete Projekte, so sagte Szalay in einem Volksstimme-Gespräch im August, sind noch nicht Sinn und Zweck dieses ersten Bewerbungsbuches. Es gehe vielmehr um eine Programmstruktur.

Die Fragen für das Bewerbungsbuch waren allen Bewerbern vorgegeben. Da ging es ums große Ganze, um Langzeitstrategien der Stadt, die europäische Dimension und die Umsetzungsfähigkeit vor allem in finanzieller Hinsicht. Würde Magdeburg mit dem Titel gekrönt, läge das Gesamtbudget bei 60 Millionen Euro. Das Land hat Unterstützung zugesagt.

Die große Unbekannte ist, was die Jury wertschätzen wird. Hat Hildesheim Chancen, weil es sich wie das 2010 siegreiche Essen mit einer Region bewirbt? Oder Zittau mit dem nachbarschaftlichen Leben im Dreiländereck? Oder Chemnitz, das seit den rechten Aufmärschen im Sommer 2018 um sein Image kämpft? Oder kann Magdeburg mit der Leere punkten? Das Motto ist gewagt. Am 12. Dezember wird man wissen, ob der Spruch: „Wer wagt, gewinnt“ Gültigkeit in der Landeshauptstadt hat.