André Kubiczek legt nach: Skizze eines Sommers
Die Pubertät kann einem das Leben ganz schön schwer machen. Das Gute an dieser anstrengenden Phase ist nur, dass sie irgendwann vorbei geht. André Kubiczek berichtet davon - aus Sicht eines Betroffenen.
Berlin (dpa) - René will nicht sein wie alle anderen. Schon gar kein Mitläufer. Er grenzt sich ab durch schwarze Klamotten und seinen - wie eher selbst meint - exquisiten Musikgeschmack. Alles Ausdruck seiner Geisteshaltung. René ist 16 und Protagonist in André Kubiczeks neuem Entwicklungsroman Szenen eines Sommers.
Die Geschichte spielt vor über 30 Jahren in Potsdam. Sie beginnt im Juli 1985, als sieben lange Wochen Ferien vor dem angehenden Internatsschüler René liegen - und die ganze Zeit hat er sturmfreie Bude. Verheißungsvoll ist das.
Die Aussicht, seine Großeltern im Harz zu besuchen, reizt ihn nicht sonderlich. Er ist doch kein Kind mehr! Lieber hängt er mit seinen Kumpels zu Hause in der urlaubsleeren Stadt ab, plündert die Intershop-Weinbrand-Bestände seines Vaters, überwindet erfolgreich den fiesen Hustenreiz beim Inhalieren von Zigarettenrauch und gibt sich ansonsten der Langeweile und dem Weltschmerz hin, dem Ennui. Trost spenden können da nur Bücher von Sartre zum Beispiel oder Rimbaud und vor allem die melancholischen Gedichte des französischen Lyrikers Baudelaire.
Seit seinem Schriftstellerdebüt mit dem Titel Junge Talente (2002) hat sich André Kubiczek (Jahrgang 1969) zu einer festen Größe in der deutschen Popliteratur entwickelt. Sein immer wiederkehrendes Thema: die letzte DDR-Generation und ihre besondere Lebenswelt vor und nach der Wende. Die Geschichte seiner Kindheit hat er bereits im Roman Der Genosse, die Prinzessin und ihr Herr Sohn (2013) verarbeitet. Diesmal gibt er Einblicke in die Psyche eines Pubertierenden, der - wie er - 1969 in Potsdam zur Welt kam und aufwuchs.
Sein Ich-Erzähler ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um als großer Rebell aufzutreten. Der Heranwachsende macht sich eher im Stillen über das realsozialistische System lustig, segelt unter der Flagge der Ironie durch eine nicht unkomplizierte Lebenswelt an der Schwelle zum Erwachsensein.
Obwohl der junge Antiheld sich am Ende - etwas voraussehbar - verändert hat, gelingt es Kubiczek mit seinem lakonischen Stil, die Leser über 384 Seiten bei der Stange zu halten, wenn auch eigentlich nichts Großes passiert. Sein orientierungsloser Möchtegern-Intellektueller René findet schließlich in einer Punkerin aus Künstlerkreisen eine neue Seelenverwandte, die ihm hilft, erstmals um seine tote Mutter zu weinen, und in einem zuerst namenlosen Mädchen seine erste Freundin. Die Stimmung ändert sich von düster zu heiter.
Ein locker-unterhaltsames Buch auch für ältere Semester, wie gemacht für die Lektüre in den Sommerferien 2016.
André Kubiczek: Skizze eines Sommers. Rowohlt, Reinbek, 384 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3871348112