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"Wozu wir da sind" Axel Hacke denkt nach über das gelungene Leben

Wann ist ein Leben gelungen? Und was muss man dafür tun? Axel Hacke hat darauf auch keine einfachen Antworten. Deswegen lässt er Walter Wemut Geschichten erzählen. Das ist gar keine schlechte Idee.

Von Andreas Heimann, dpa 05.11.2019, 11:24

München (dpa) - Walter Wemut soll eine Rede halten zum 80. Geburtstag einer Freundin. Nur einige Minuten, ein bisschen Nachdenkliches, ein paar Worte dazu, wie ein Leben gelingen kann.

Wemut ist nicht begeistert. "Bin ich Aristoteles?", antwortet er abwehrend. Was ist das: ein gelungenes Leben? So richtig weiß er das auch nicht, dabei gibt es viele, die meinen, er sei der passende Ansprechpartner.

Schließlich ist er Experte für Lebensbilanzen, für den Rückblick auf das, was im Leben gelungen und was schiefgelaufen ist. Der gelernte Bibliothekar, selbst Anfang 60, schreibt Nachrufe für die Zeitung - über Prominente genauso wie über Menschen, die schon in der Nachbarstadt keiner mehr kennt. Wemut ist der Ich-Erzähler in Axel Hackes neuem lesenswertem Buch "Wozu wir da sind". Sein Nachdenken über das, was ein gelungenes Leben ausmacht, ist die Vorbereitung auf die Rede, die er halten soll.

Der Untertitel "Walter Wemuts Handreichungen für ein gelungenes Leben" klingt dick aufgetragen und ist nicht wörtlich zu nehmen. Handreichungen im Sinne von kleinen Tipps, wie die Leserinnen und Leser das schon hinbekommen mit dem gelungenen Leben, hat Axel Hacke nicht zu bieten. Auch wenn man am Ende ein paar davon aufgelistet sind: "Üben Sie das Vergeben und das Vergessen. Notieren Sie sich folgende Stichwörter: Staunen, Respekt, Zärtlichkeit. Und suchen Sie sich einen Friseur, den Sie richtig mögen. Und der Sie mag."

Wie wichtig ein Friseur ist, dem man vertraut, hat Wemut selbst erfahren: Er tauscht sich regelmäßig mit Agim aus, der zwar nicht immer grammatiksicher ist, aber lebensklug. Statt über die Prinzipien des gelungenen Lebens zu sinnieren, erzählt Wemut von Menschen wie ihm, Menschen, denen er begegnet ist: von dem Zeitungshändler etwa, der ein "Tagebuch des unbedeutenden Weltgeschehens" schreibt und in ein großes Album aus den Zeitungen des Tages jeweils einen Text klebt, den er bemerkenswert gefunden hat.

Oder von dem Kollegen, der dienstags immer schwimmen geht, mittwochs Fußball spielen, donnerstags in die Sauna, freitags zu den Kartenfreunden und am Wochenende zum Haus am See. Als er stirbt, hinterlässt er keine große Spuren - aber er hat das Leben geliebt und das Leben ihn.

Axel Hacke (63) ist als Autor großartiger Bücher bekannt geworden, die genauso intelligent wie unterhaltsam sind - "Der weiße Neger Wumbaba" etwa. Aber er schreibt auch schon lange über Themen, die nicht in erster Linie lustig sind, wie zusammen mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in "Wofür stehst Du? Was in unserem Leben wichtig ist".

Sein vergangenes Buch "Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen" (2017) knüpft daran an. In gewisser Weise setzt das jüngste das Nachdenken über Fragen fort, die man ruhig philosophisch nennen kann. Hacke hat ihm "Walter Wemuts Literaturliste" angefügt, in der Texte genannt sind, die ihn zum Nachdenken inspiriert haben, Epiktets "Handbüchlein der Moral" genauso wie ein Interview mit dem Regisseur Alexander Kluge.

Wie ein Leben gelingen kann? Das lässt sich in einer Geburtstagsfeierrede nur unzureichend klären. Deswegen hat Axel Hacke ein ganzes Buch darüber geschrieben, eines mit vielen Geschichten - auch, weil es auf Fragen wie diese nie nur eine Antwort gibt.

- Axel Hacke: Wozu wir da sind, Verlag Antje Kunstmann, München 233 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-95614-313-7.

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