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Mord und Verschwörung in der französischen Provinz

06.05.2014, 12:21

Zürich/Berlin Das Leben könnte so angenehm sein für Bruno, den einzigen Polizisten einer Kleinstadt im südfranzösischen Perigord.

Aber schon zum sechsten Mal hat sich der schottische Bestsellerautor Martin Walker einen spannenden Fall ausgedacht, der die kriminalistischen Fähigkeiten seiner Hauptfigur voll in Anspruch nimmt und auch bei den Lesern von "Reiner Wein" durchgängig für Spannung sorgt.

Ein Todesfall steht am Anfang der Geschichte. Ein früherer Widerstandskämpfer ist gestorben, und Bruno muss die Trauerfeier organisieren, die Walker höchst einfühlsam beschreibt. Bemerkenswert ist nur der Geldschein aus den 40er Jahren, den der Tote in der Hand hatte. Er hatte kurz nach der alliierten Landung im Sommer 1944 gemeinsam mit anderen Partisanen einen Zug überfallen und den deutschen Besatzern Millionen gestohlen. Zeit seines Lebens hatte der alte Mann mit der Hilfe seines Enkels versucht herauszufinden, wo die Beute geblieben war.

Bruno muss aber erst einmal in einem ganz anderen Fall ermitteln. Einsam stehende Ferienhäuser werden aufgebrochen, Antiquitäten und Kunstgegenstände gestohlen. Bruno verdächtigt den Enkel des Partisanen, zu der Einbrecherbande zu gehören.

Dramatisch wird es in der beschaulichen Gegend in der Nähe von Bordeaux, als bei einem ausgeräumten Ferienhaus der Mieter erschlagen aufgefunden wird. Also jagt Bruno jetzt einen Mordverdächtigen. Aber von Anfang an hat Bruno große Zweifel, ob die Dinge so einfach sind, wie sie sich ihm darstellen.

Schon bald entwickeln die beiden Fälle eine enorme eigene Dynamik. Die Einbrecherbande scheint Teil eines internationalen Netzwerks von Kunstdieben und Antiquitätenhändlern zu sein. Und wie eine mit Bruno befreundete Historikerin herausgefunden haben will, hat die Millionenbeute aus dem Zugüberfall einen Weg genommen, der die ganze französische Politik erschüttern kann.

Lange Zeit verstehen Bruno und die anderen Ermittler nicht, wie die Fälle zusammenhängen und was sich überhaupt abgespielt hat. Erst allmählich wird ihnen klar, dass sie jedes einzelne Detail hinterfragen und vieles überdenken müssen, um das verwirrende Geflecht von Lügen und Halbwahrheiten zu durchblicken.

"Das kann man sich nicht ausdenken", fasst ein Journalist die Entwicklungen zusammen, die Bruno ihm erzählt. Doch Walker (Jahrgang 1947) konnte das - und es gelang ihm überzeugend. Er hat es sogar geschafft, Bruno einige Momente des guten Lebens zu gönnen, das er in Südfrankreich liebgewonnen hat. Bruno kann mit seiner Freundin ausreiten und seine Gäste so betreuen, dass der Krimi auch noch als Kochbuch einsetzbar ist.

Natürlich löst die Polizei den komplexen Mordfall, der durch eine spektakuläre Geiselnahme zusätzliche Dramatik bekommt. Bruno liefert den entscheidenden Beitrag und ist wieder einmal der bescheidene Held des Tages. Walker lässt aber einige Handlungsstränge ungelöst, so dass ein weiterer Fall für Polizeichef Bruno möglich bleibt. Das Warten sollte wieder einmal lohnen.

- Martin Walker: Reiner Wein. Der sechste Fall für Bruno, Chef de police. Diogenes Verlag, Zürich, 406 Seiten, 22,90 Euro, ISBN 978-3-257-06896-2.