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Cartoons Comics vom Magdeburger Behindertenzeichner

Der Magdeburger Phil Hubbe hat neue Cartoons über Menschen mit Handicap gezeichnet. Er selbst nennt sich Behindertenzeichner.

Von Grit Warnat 08.08.2018, 01:01

Magdeburg l Zunge raus, ein Lachen im Gesicht. „Doktor! Ich kann wieder laufen“, ruft der Rollifahrer mit seinen beiden Beinstümpfen. Auf seinem Kopf prangt eine fette virtuelle Brille. Sie gaukelt ihm eine Scheinrealität vor. Den Doktor freuts.

Die Lauf-Hoffnung – ja, man muss schlucken – prägt das Cover von Phil Hubbes neuem Buch, überschrieben mit „Der siebte Sinn!“. Druckfrisch hält es der Karikaturist und Zeichner in seinen Händen. Morgen Abend hat es Premiere in Magdeburg. Hubbe hofft auf eine volle Scheune im Moritzhof. Wie vor zwei Jahren, als er sein sechstes Buch veröffentlichte und um die 200 Leute kamen – vom Verlag, Freunde, Interessierte, natürlich Menschen mit Behinderung.

Hubbe selbst hat MS, Multiple Sklerose, eine Krankheit, die das zentrale Nervensystem betrifft und viele Gesichter hat. Hubbe thematisiert MS immer wieder. Auch in seinem neuen Buch. Er lässt eine Frau mit Gehhilfe strahlen, weil der Arzt mit einem Strauß vor ihr steht. „Blumen ... Für mich?! Da fehlen mir die Worte ...“, haucht sie. Ah, denkt sich der Arzt und diagnostiziert: „Wortfindungsstörungen! Dies könnte auf eine MS hindeuten.“

Seine behinderten Cartoons, wie er diese Arbeiten selbst nennt, sind voll mit Wortspielen, mit klugem Witz, sie sind auch bitterböse, bissig, immer ehrlich. Wer den Magdeburger kennt, der schätzt seinen Anspuch, mehr als nur illustrieren zu wollen, sondern zu hinterfragen, den Finger in die Wunde zu legen. Ein Credo auch für seine politischen Karikaturen. „Eine Zeichnung muss anecken“, sagt er. Weichgespültes ist nicht sein Ding. Und es war sicher dieses Anecken, das ihn vor Jahren auf die zweifelsohne recht mutige Idee brachte, Rollstuhlfahrer, Blinde, Prothesenträger, MS-Erkrankte mit ihren Sorgen, Nöten, Freuden, mit all den Vorurteilen, die ihnen begegnen, aufs Papier zu bannen.

Hubbe, der Herr über Stift und Feder, ist steter Beobachter. Der Alltag ist sein Ideengeber. Längst hat sich der 1966 in Haldensleben geborene Hubbe über die Region hinaus einen Namen gemacht. Deutschlandweit wird er zu Ausstellungen geladen, arbeitet rund um das Thema Inklusion für Vereine und Einrichtungen, hält immer wieder Vorträge. Er weiß um Vorurteile gegenüber behinderten Menschen, um Probeleme der Betroffenen.

Und er weiß natürlich, dass nicht jeder sogleich lachen kann beim Anblick seiner Arbeiten. Er kennt von seinen vielen Ausstellungen auch die Verschlucker bei Besuchern, eine gewisse Zurückhaltung, aus der er die Unsicherheit spürt, ob man denn da wirklich lachen darf. Aber wer dann den schmunzelnden Rollstuhlfahrer neben sich sieht, der wird entspannter, weiß Hubbe.

Natürlich wird nicht jeder im neuen Buch den großen Vogel toll finden, an dem ein Mann mit gelb-schwarzem Blindensticker hängt und ausruft „Ein Seeadler“. Oder die drei Männer in ihren Krankenhaus-Betten, von denen sich zwei zuflüstern: „Ist er wirklich blind?“ „... nicht mehr. Gestern wurde ihm der Blinddarm entfernt.“

Der Magdeburger kann mit Kritik umgehen. Wichtig ist ihm, dass so manch Betroffener Mut findet beim Blick auf seine Arbeiten und dass die Gesellschaft weiter sensibilisiert wird. Und Hubbe erfährt in Gesprächen, aus Briefen, aus E-Mails, dass mancher beim Blick auf seine Cartoons erstmals über die eigene Krankheit lachen kann. Er bekommt Zuschriften: auch mal über Schuppenflechte.

Die positiven Reaktionen von Menschen, denen es nicht so gut geht, haben ihn immer vorangetrieben. Lange vorbei sind auch die Anfangssorgen bei seinem Verlag, Lappan aus Oldenburg/Hamburg, ob man denn Cartoons über Behinderte drucken sollte.

Sein letztes Buch dieser Art wird „Der siebte Sinn!“ auch nicht gewesen sein. Hubbe, der mittlerweile viel stärker als „Behindertenzeichner“ unterwegs ist – sein Alleinstellungsmerkmal in der Branche –, weiß um so manche Inklusions-Baustelle. Wenn zum Beispiel „Ziemlich beste Freunde“ im Kino gezeigt wird, ein Film über Philippe, der vom Hals an abwärts gelähmt ist, und es nur bequeme Plüschsessel gibt und keinen einzigen Rollstuhlfahrerplatz.

Buchvorstellung am 9. August im Moritzhof Magdeburg. Beginn ist 19.30 Uhr, Eintritt frei.