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Deutsche Lektorin: "Panem hat provoziert"

19.11.2013, 13:23

Hamburg - Kinder und Jugendliche, die in eine Arena geschickt werden und dort einander töten müssen - die deutsche Lektorin Maya Geis erinnert sich noch genau an die Diskussionen vor dem Erscheinen der "Tribute von Panem".

"Wir hatten damals schon starken Gegenwind, wussten aber auch, dass das Buch es einfach verdient hat, gelesen zu werden", erzählt die 37-Jährige, die seit sieben Jahren beim Verlag Friedrich Oetinger in Hamburg arbeitet. Inzwischen ist die Trilogie der US-Amerikanerin Suzanne Collins ein weltweiter Erfolg - am 21. November startet der zweite Teil der Kino-Verfilmung ("Catching Fire"). "Panem" habe provoziert, sagt Geis - "und ist weit mehr als ein Action-Reißer".

Das Erfolgsgeheimnis von "Panem" liegt für Geis in den "vielen verschiedenen Ebenen des Buches, die sowohl Jugendliche als auch Erwachsene ansprechen". Die Geschichte um die 16-jährige Katniss, die im totalitären Staat Panem auf dem Gebiet der ehemaligen USA lebt, sei Liebesgeschichte wie auch Gesellschaftskritik. Die Autorin habe es verstanden, die Kritik an medialer Sensationsgier so zu verpacken, dass sie auch bei jungen Lesern ankomme und sie wachrütteln könne. Jedes Jahr müssen zwölf Distrikte Panems einen Mädchen und einen Jungen zwischen 12 und 18 Jahren zu den "Hungerspielen" in die Arena schicken - die tödlichen Spiele werden im ganzen Land übertragen.

Auf den Titel "Hungerspiele, den der erste Band im Original trägt, verzichtete der Hamburger Verlag damals und nannte den 2009 in Deutschland erschienen Roman im Untertitel lieber "Tödliche Spiele". "Der Begriff "Hungerspiele" erschien uns doch etwas befremdlich", erzählt die Lektorin. "Dem ersten Band haben wir, als er an die Vertreter geschickt wurde, auch einen Brief beigelegt", erzählt Geis. "Darin haben wir erklärt, warum es uns so wichtig ist, dieses Buch zu machen, und warum wir der Überzeugung sind, dass es kein Action-Reißer ist, sondern viel mehr dahinter steckt."

Geis war als Lektorin eine der Ersten, die das "Panem"-Manuskript gelesen haben, als es auch in den USA noch nicht erschienen war. "Der Agent von Suzanne Collins kam damit auf uns zu. Wir durften als Erste in Deutschland einen Blick darauf werfen, weil wir die Autorin schon bei uns verlegt hatten", berichtet Geis. Mit einer Kinderbuchreihe war Collins schon bei Oetinger vertreten. ""Panem" haben wir alle im Verlag dann ganz atemlos durchgelesen", sagt sie. "Wir wussten, das ist ein Stoff, den wir machen müssen. Auch wenn das Thema zunächst für Entsetzen sorgt, weil wir eben auch ein Kinderbuchverlag sind."

Nach "Gregor und die graue Prophezeiung" und den Folgebänden der Kinderbuchreihe ist dort gerade ein neues Kinderbuch von Collins erschienen: "Als Papa im Dschungel war" heißt das Bilderbuch, das auf den Kindheitserinnerungen der Bestsellerautorin basiert. Darin erzählt die 51-Jährige von der sechs Jahre alten Suzy, deren Vater plötzlich in den Krieg muss. Der Krieg ist in Vietnam - und Suzy vermisst ihren Vater ganz schrecklich. Zuerst schreibt Papa viele Postkarten, doch es werden immer weniger. Seine Tochter sorgt sich - und fragt sich, warum ihr Vater überhaupt fort musste. Auch Collins\' Vater war in Vietnam.

Collins selbst hat die Hamburger Lektorin bislang noch nicht persönlich kennengelernt. "Sie lebt leider sehr zurückgezogen und scheut die Öffentlichkeit", erzählt Geis über die Schriftstellerin, bei deren "Panem"-Büchern auch Kollegen wie Thriller- und Horrorautor Stephen King oder "Twilight"-Verfasserin Stephenie Meyer ins Schwärmen gerieten. Dafür war Geis jüngst bei der Deutschlandpremiere von "Catching Fire" in Berlin dabei.

Die filmische Fortsetzung sei sehr gelungen, meint Geis, die versucht, als zuschauende Lektorin "nicht so streng zu sein". "Dass einige Szenen, die ich so wichtig für das Buch finde, weil sie auch noch mal diese von Suzanne Collins geschaffene Komplexität zeigen, rausgenommen wurden, schmerzt natürlich", erklärt sie, "aber es ist verständlich, dass verknappt werden muss". Dennoch sei sie aus dem Kino mit dem Gefühl gegangen, die Verfilmung des 431 Seiten dicken Buches "Gefährliche Liebe" sei sehr kurz - der Film ist 146 Minuten lang.

Suzanne Collins: Als Papa im Dschungel war. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg, 40 S., 14,95 Euro, ISBN 978-3789163630