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Familienbande „Smiley“: Sohn von John le Carré führt Werk des Vaters fort

Der Meisterspion George Smiley wurde zur beliebtesten Erfindung von John le Carré. Nach dem Tod des Autors schlüpft sein Sohn in das le-Carré-Universum, um Smiley eine Vorgeschichte zu geben.

Von Andrej Sokolow, dpa 30.05.2025, 07:39
John le Carré starb 2020.
John le Carré starb 2020. Christian Charisius/dpa

London - Viereinhalb Jahre nach dem Tod des Schriftstellers John le Carré erscheint in Deutschland ein neues Buch mit seiner bekanntesten Figur, dem widerwilligen Meisterspion George Smiley. Es ist kein verschollenes Manuskript aus den Archiven. Geschrieben hat „Smiley“ einer von le Carrés Söhnen, Nick Harkaway. Der Roman spielt in den 60er Jahren, kurz nach den Ereignissen von le Carrés Roman-Durchbruch „Der Spion, der aus der Kälte kam“.

Sohn füllt Zeitfenster

John le Carré selbst brachte George Smiley erst ein Jahrzehnt danach in „Dame, König, As, Spion“ in seine Bücher zurück. Es gibt also ein Fenster von rund zehn Jahren, das mit neuen Geschichten gefüllt werden kann. Im neuen Buch hat Smiley, traumatisiert von den Ereignissen in Berlin, dem Geheimdienst den Rücken gekehrt. Doch er wird noch einmal in sein bisheriges Leben hineingesogen als ein ursprünglich aus Ungarn stammender Verleger in London verschwindet - und Moskau die Finger im Spiel zu haben scheint.

Familiensache

Das ist vielleicht die Stelle, an der man erwähnen sollte, dass weder John le Carré, noch Nick Harkaway echte Namen sind. David Cornwell entschied sich einst, als John le Carré zu schreiben, weil er noch beim britischen Geheimdienst angestellt war. Als sein Sohn Schriftsteller wurde, wählte er ebenfalls ein Pseudonym - um nicht im Schatten des berühmten Vaters zu stehen. So wurde aus Nicholas Cornwell Nick Harkaway. Die Ironie, dass er nun den literarischen Betrieb unter dem Namen übernimmt, von dem er so bemüht war, sich loszulösen, entgeht ihm nicht. Es war nicht unbedingt sein Plan.

John le Carré hinterließ Wunschbrief 

John le Carré hinterließ einen Brief mit Wünschen an seine Familie. Dazu gehörte, dafür zu sorgen, dass seine Bücher weiterhin gelesen werden. Ein Weg, das zu erreichen, wären neue le-Carré-Bücher, beschlossen seine Kinder. Harkaway stellte eine Liste von Autoren zusammen, die dafür aus seiner Sicht infrage kämen. 

Doch schlug sein Bruder Simon vor, er solle es selbst machen. Also habe er testweise kleine Fragmente geschrieben - „und es fühlte sich natürlich an“, sagt Harkaway. „Ich musste meine Stimme nicht verstellen.“ Der Verlag nennt „Smiley“ einen John-le-Carré-Roman - schließlich geht es um dessen Universum, und kann nicht mehr als eine Person ein Pseudonym ausfüllen? 

Kindheit mit Smiley 

Harkaway wurde gewissermaßen in die Welt von Smiley hineingeboren. In seinen ersten Lebensjahren arbeitete sein Vater an der Roman-Trilogie, die mit „Dame, König, As, Spion“ begann. „Er schrieb Seiten per Hand und las sie meiner Mutter beim Frühstück, Mittag oder im Bett vor“, erinnert sich Harkaway. „Gerade als ich die Sprache erlernte, bekam ich also zwei Stunden George Smiley jeden Tag.“ Im Nachhinein sei ihm klargeworden, dass Smileys Stimme schon immer in ihm steckte.

Liest sich „Smiley“ nun wie ein John-le-Carré-Buch? Ja und nein, könnte man sagen. Er habe nicht versucht, den Stil seines Vaters zu imitieren, betont Harkaway. „Ich schrieb immer als ich selbst, aber mit einem Ohr für Smileys Stimme und für die Stimmung der Smiley-Bücher.“ Sein Smiley sei zugleich ein Mix aus allen Schauspielern, die den Meisterspion je verkörperten, von Alec Guinness bis Gary Oldman. Fans werden in dem Roman auch jüngere Versionen vieler Figuren wiedererkennen, die das Universum der Smiley-Romane ausfüllen. Eine Regel, die sich Harkaway dafür gab: „Je mehr man erfährt, desto größer muss das Mysterium werden.“

Nächster neuer Smiley-Roman in Arbeit

Wohin die Reise geht, ist mit den drei Büchern aus den 70er Jahren vorgegeben. Harkaway kann jetzt aber den Weg aufschreiben, der dorthin führte. Für kommendes Jahr ist bereits sein zweiter Smiley-Roman angekündigt. Er spielt im Jahr 1965 und soll den Meisterspion unter anderem in die USA führen. In le Carrés Büchern wurde immer angedeutet, dass Smiley eine aufregende Vergangenheit gehabt hatte. Sein Sohn kann sie jetzt zum Leben erwecken.