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Der Rhein: Fluss der Mythen, Fluss des Friedens

Der Rhein ist beladen mit Kultur und Geschichte. Die Bundeskunsthalle breitet nun die Biografie dieses europäischen Stroms aus, der lange Zeit die Grenze zwischen zwei Erbfeinden markiert, bis er schließlich zum Symbol der Verständigung wird.

Von Christoph Driessen, dpa 08.09.2016, 10:14
Der gigantische Kopf Kaiser Wilhelms I. gehörte einst zum Reiterdenkmal am Deutschen Eck in Koblenz. Foto: Oliver Berg
Der gigantische Kopf Kaiser Wilhelms I. gehörte einst zum Reiterdenkmal am Deutschen Eck in Koblenz. Foto: Oliver Berg dpa

Bonn (dpa) - Am Anfang der neuen Ausstellung in der Bundeskunsthalle steht eine der teuersten Fotografien, Der Rhein von Andreas Gursky.

Sie sieht aus wie ein abstraktes Gemälde: Der Rhein als waagerechtes silbernes Wasserband, oben und unten eingerahmt vom grünen Deich und gekrönt von einem weiß bewölkten Himmel.

Das Bild macht deutlich: Zunächst einmal geht es hier einfach nur um eine mitteleuropäische Flusslandschaft. Alles andere ist Projektion. So wie der gleich gegenüberhängende Schinken Vater Rhein von 1848, entworfen für die Baden-Badener Trinkhalle - das Werk beschwört den Strom und seine Nebenflüsse als einigendes Band der deutschen Staaten herauf. Zur selben Zeit war der Rhein auch Sehnsuchtsort internationaler Touristen. Das schönste Paradies auf Erden, schwärmte die englische Schriftstellerin Mary Shelley, Erfinderin von Frankenstein.  

Es dürfte nur wenige Flüsse geben, die so sehr mit Geschichte und Kultur, mit Mythen, aber auch mit uralten Konflikten beladen sind, wie der Rhein. Zu jedem dieser Aspekte bietet die Ausstellung Der Rhein - Eine europäische Flussbiografie ein überraschendes Stück.  

Stichwort Nibelungenschatz: Wer weiß schon, dass bis heute immer wieder Schätze aus dem Rhein gezogen werden? Zu sehen ist beispielhaft der größte römerzeitliche Fund von Metallobjekten, der 1967 in einer Kiesbaggerstelle im Altrhein in Rheinland-Pfalz entdeckt wurde.  

Ein Blickfang ist der gigantische Kopf Kaiser Wilhelms I., der einst zum Reiterdenkmal am Deutschen Eck in Koblenz gehörte. 1945 wurde es von US-Einheiten zerstört. Jahrhundertelang war der Rhein die umkämpfte Grenze zwischen den Erbfeinden Deutschland und Frankreich. Zu Napoleons Zeit war die linke Rheinseite 20 Jahre lang französisch. Der linksrheinische Teil von Köln mit dem Dom gehörte zu Frankreich, das gegenüberliegende Deutz war Deutschland.

In der Antike war es ähnlich: Auf der linken Seite herrschte die römische Zivilisation, auf der rechten war Barbarenland. Der Rhein markierte die Grenze zweier Welten, und an seinen Ufern entstand im Laufe der Zeit eine schier endlose Kette von Festungen und Burgen. Aber der Strom war gleichzeitig auch ein Verbindungsband, weil er als Wasserstraße viele unterschiedliche Länder miteinander in Kontakt brachte. Schon vor 2000 Jahren aßen etwa die Kölner denkbar international: Fischsoßen aus Spanien, Feigen aus Afrika, Austern aus dem Mittelmeer und Pfeffer aus Indien - all das brachten ihnen die Rheinschiffe. 

Später hat der erste Kanzler Konrad Adenauer sowohl die Bundesrepublik als auch das zusammenwachsende Europa vom Rhein her gedacht. Der Rheineuropäer wusste nur zu gut, dass der Kölner Dom seine Wurzeln im französischen Boden hat - Vorbild waren die nordfranzösischen Kathedralen. Für ihn als Kölner schlug im Rheinland das Herz des christlichen Abendlandes. Heute sei der Rhein ein Fluss des Friedens, sagt Ausstellungskuratorin Marie-Louise Gräfin von Plessen. In einer Zeit, in der sehr viel von neuen Grenzen und Festungen die Rede ist, spürt man deutlicher als zuvor, dass dies alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

Der Rhein in der Bundeskunsthalle

«Vater Rhein» von Moritz von Schwind. Foto: Oliver Berg
«Vater Rhein» von Moritz von Schwind. Foto: Oliver Berg
dpa
Der Hortfund von Neupotz - ein Barbarenschatz. Foto: Oliver Berg
Der Hortfund von Neupotz - ein Barbarenschatz. Foto: Oliver Berg
dpa
«Der Rheinübergang der Schlesischen Armee» von Wilhelm Camphausen. Foto: Oliver Berg
«Der Rheinübergang der Schlesischen Armee» von Wilhelm Camphausen. Foto: Oliver Berg
dpa