Am Opernhaus Magdeburg feiert Gaetano Donizettis Oper "Maria Stuart" Premiere Der Streit zweier Königinnen
Das Theater Magdeburg bringt die Oper "Maria Stuart" auf die Bühne. Am Sonnabend war Premiere.
Magdeburg l Die Töne perlen hernieder, hüpfen über Katarakte, schießen in Spitzentönen empor, besänftigen sich in kleinen Figuren oder zu sanften Linien, sprudeln aus Urtiefen herauf, beruhigen sich, um doppelt schnell voranzustürzen. Belcanto, endloser makellos schöner Gesang. Man muss geübt sein, um hier Zwischentöne, blätternde Seelenschichten, heranreifende Entscheidungen, Fluchten und besondere Energien wahrzunehmen. Gaetano Donizettis "Maria Stuart" am Theater Magdeburg ist keine leichte Kost.
Zwei Frauen als Mittelpunkte unversöhnlicher Egos, ein paar Männer drumherum: unwichtig. Elisabeth I. von England und die schottische Königin Maria Stuart, politische Gegnerinnen im England des 16. Jahrhunderts, sind einander persönlich nie begegnet. Erst Friedrich Schiller hat sie in seiner Tragödie in einer großen Szene zueinander gebracht.
Donizetti wählte Schillers Werk als Vorlage für sein romantisches Zwei-Primadonnen-Belcanto-Drama. Eine heiter tändelnde Szene in Elisabeths globalem Arbeitskabinett eröffnet den Tanz der Königinnen. Elisabeth schmiedet politische Heiratspläne und grämt sich dabei über die mangelnde Eifersucht des Grafen Leicester. Sie liebt ihn heimlich, er aber schwärmt in aller Naivität für Maria. Elisabeth, Noa Danon, gibt sich zunächst unbeschwert, ihre Koloraturen blitzen, sie jubelt, tiriliert. Ihre Stimme lässt indes keine Sekunde an ihrem Status zweifeln, gleißende Helle, energische Festigkeit bei allem scheinbar federleichten Koloraturengefunkel. Sie ist als die überlegene Herrscherin auf den Plan getreten und sie wird diese Rolle verteidigen.
Die gefangene Maria bittet in einem Brief um ein Treffen mit Elisabeth. Damit rückt ein düsterer Raum mit Betpult und Kerzenleuchtern in den Mittelpunkt. Hier wohnt eine katholisch schwärmende Seele. Hale Soner beglaubigt dies sofort mit ihrer Stimme. Ihr Sopran ist einschmeichelnder, biegsamer, wärmer getönt, betörender. Unschuldig natürlich ist sie gefangen, der Konkurrentin ausgeliefert. Auch sie verströmt sich in Kantilenen und Koloraturen.
Unter den Getreuen grummelt der Aufruhr
Dann der Countdown der Frauen. Elisabeth, von Ulrich Schulz in atemberaubende hellgraue Seide gewandet, gegen Maria, ganz in Schwarz und Gold. Es beginnt als Sextett aller Beteiligten. Jeder singt beiseite, was er sich erhofft. Hart bleiben, Elisabeth! Ruhig bleiben, Maria! Dann nur die Frauenstimmen, leise beginnend, sich steigernd. Flehentliches Bitten Marias. Dagegen die Herrscherin, sie enttarnt die frömmelnde Unschuldsmiene der Gefangenen, wirft ihr Mord und Verrat vor, lässt auch ihrer Eifersucht auf die schöne, männerbezirzende Maria fast freien Lauf. Posaunen kündigen Leicesters unglückselige Parteinahme für Maria an, trübes Moll. Elisabeth kontert in stählernem C-Dur.
Dann hebt Maria, aufs höchste gereizt, zum letzten Triumph an. Mit stärkster Expression steigt die Stimme empor. Sie schleudert Elisabeth den Vorwurf unedler Geburt ins Gesicht. Sie strahlt, triumphiert über diesen vermeintlich tödlichen Schlag gegen Elisabeth. Ihre Parteigänger indes fassen soviel Dummheit nicht. Entsetzen als Ensemblesatz. Maria hat sich ihr Todesurteil erwirkt. Elisabeth kehrt zur Hauptmelodie zurück und verkündet es.
Nach der Pause singt sich Elisabeth noch einmal durch alle Zweifel, ob sie das Urteil tatsächlich unterzeichnen soll. Schließlich tut sie es aus Staatsräson und Eifersucht. Maria, ebenfalls im allerschönsten Kantilenenfluss, beichtet und stilisiert sich zur Märtyrerin. Gefasst geht sie in den Tod, unter ihren Getreuen, ordentlich gesungen vom Magdeburger Opernchor, grummelt der Aufruhr.
Karen Stone schlägt sich auf Elisabeths Seite
Selten wird in Aufführungen dieses Dramas die Partei der mächtigen Elisabeth ergriffen, immer ist es Marias schmachtende Unschuldsattitüde, der die Sympathien des Publikums gelten sollen. Karen Stone schlägt sich kompromisslos und sogar entgegen Schillers Intention auf Elisabeths Seite. Das machte mir die Aufführung äußerst sympathisch. Allerdings wurden alle Szenen außerhalb des Streits der Königinnen inszenatorisch etwas stiefmütterlich behandelt, vor allem zuungunsten der durchweg höchst beachtlich singenden Männer. Andreas Früh gab das wandelnde Unglück Leicester mit klarem Tenor; brav und ordentlich mit sonorem und doch biegsamem Bass Martin-Jan Nijhof als loyaler Talbot; Mario Solimene sang einen leider eher intrigant als vernünftig erscheinenden Cecil. Lieblich und leicht ergänzte Teresa Sedlmair als Marias Vertraute das Quartett der Nebenstimmen.
Michael Balke hat die Magdeburgische Philharmonie auf ihre scheinbar untergeordnete Rolle im vokalen Dauerfeuer eingestimmt. Unauffällig schafft es Atmosphäre, ebenso unauffällig treibt sein Drive das Geschehen voran. Zwei vorzügliche Belcanto-Primadonnen und ein ordentliches Ensemble aus eigenen Kräften besetzen zu können, darauf kann das Magdeburger Theater stolz sein.