Premiere für "Lola Blau" im Theater der Altmark Ein Leben mit allen Emotionen
"Im Theater ist nichts los!" singt Claudia Lüftenegger alias Lola Blau. Von wegen! Was die Zuschauer am Freitagabend im Theater der Altmark in Stendal erlebten, straft diese Liedzeilen Lügen. Die Premiere von Georg Kreislers Musical "Heute Abend: Lola Blau" wurde mit frenetischem Applaus und stehenden Ovationen gefeiert.
Von Birgit Tyllack
Stendal. In dieser Inszenierung stimmt einfach alles: die Musik, die Ausstattung und die Darstellerin. Claudia Lüftenegger braucht ungefähr fünf Sekunden, um das Publikum völlig in den Bann zu ziehen. Fasziniert hängt jeder im Saal an ihren Lippen. Und das zwei Stunden lang.
Sie spielt und singt sich durch das Leben der Lola Blau: mal frech und heiter, mal anrührend und melancholisch. Immer jedoch mit einer unglaublichen Intensität. Einfach beeindruckend, wie sie es schafft, sich von einem zum anderen Moment zu verwandeln und die Spannung aufrecht zu erhalten.
Ernste Botschaften und geniale Leichtigkeit
Begleitet wird sie von Sebastian Undisz am Flügel. Sein Spiel ist ebenfalls ein echter Ohrenschmaus und lässt das dunkle Timbre von Lüfteneggers Stimme superb zur Geltung kommen.
Kreislers traurig-heiteres Musical wird seit immerhin fast 40 Jahren gespielt. Unter der Regie von Manfred Ohnoutka ist es einmal mehr zu einem großen Erlebnis geworden. Hier werden ernste Botschaften mit einer genialen Leichtigkeit vermittelt. Nicht oberflächlig oder beschönigend. Und ohne, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.
Die Ausstattung (Christopher Melching) besteht aus einem Schrank an der Wand, einem Tisch, einem Sofa und einem Überseekoffer. Da der Schrank auch mal schnell zur Tür oder zur Künstlergarderobe, der Überseekoffer zum Liegestuhl werden kann, reicht das völlig aus.
Zum Inhalt: Die Wienerin Lola ist jung, hübsch und voller Tatendrang. Und sie hat ihr erstes Engagement als Schauspielerin in der Tasche. Doch der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich macht alles zunichte. Die Jüdin flieht nach Zürich, wo sie sich mit Auftritten in Nachtclubs über Wasser hält.
Als sie des Landes verwiesen wird, emigriert sie in die USA. Während ihrer Schiffspassage unterhält sie auf dem oberen Deck in aufreizender Abendgarderobe die feine Gesellschaft mit lasziven Liedern. Und auf dem Unterdeck lässt sie als "Jingelchen" die armen jüdischen Auswanderer die Alltagssorgen vergessen. Mit ebenso frechen, aber viel authentischeren Liedern.
In den Vereinigten Staaten avanciert sie schnell zum Nachtclub-Star, wird sie zum Publikumsliebling der vergnügungssüchtigen "besseren" Gesellschaft.
Sie ist unglücklich. Einerseits, weil sie auf ein sexy Image reduziert ist, andererseits, weil sie ihre große Liebe Leo nicht vergessen kann. Als dieser nach dem Krieg bei ihr anruft, entschließt sie sich, nach Wien zurückzukehren. Die Zerstörung entsetzt sie, aber viel größer ist der Schock, als sie erkennen muss, dass in den Köpfen der Menschen vieles beim Alten geblieben ist.
Lola stellt ein Kabarettprogramm auf die Beine, im Bemühen, die Menschen mit ihren kritischen Liedern zu erreichen.
Doch schon bald merkt sie, dass sie nichts ändern kann: "Wien bleibt Wien... bleiben wir schön beim Alten... ändern lässt sich gar nichts, und am allerletzten wir!"
Als nun gar noch Leo auf der Straße als "Saujud" beschimpft und anschließend von der Polizei mitgenommen wird, verliert sie endgültig die Hoffnung.
Erst große Freude, dann bitter enttäuscht
Die Lola Blau, die zu Beginn so voller Schwung und Lebensfreude war, ist am Ende enttäuscht und resigniert. So sieht das Publikum zu Beginn der Aufführung und in der Schlussszene eine sehr alte, verbitterte Lola Blau (Annie Christel Lange als Statistin) neben der jüngeren "Version".
Der Stendaler Inszenierung haftet nichts Provinzielles an. Sie könnte auf jeder Großstadtbühne im deutschsprachigen Raum bestehen und für volle Häuser sorgen.
Die nächsten Vorstellungen finden am 21. und 23. Oktober sowie am 5. November statt.