1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Vom Traum des Tanzens

Festival Vom Traum des Tanzens

Mit „Chotto Desh“ der Londoner Akram Khan Company hatte das Internationale Figurentheaterfestival einen seiner Höhepunkte.

Von Grit Warnat 30.06.2016, 01:01

Magdeburg l Akram Khan hat in der Tanzwelt einen Namen. Schon als Kind hat er mit seinem Körper gesprochen und diese Sprache immer weiter vervollkommnet. Er tanzte, weil das sein Leben ausmachte. Sein Leben – das sind auch seine Wurzeln. Akram Khan ist in London geboren worden, seine Eltern aber kommen aus Bangladesch mit einer muslimischen Kultur und einer Armut, die man sich in Europa nur schwer vorstellen kann. Aus dieser Biografie schöpft der 41-Jährige Ideen für seine Choreographien. Für seine weltweit gefragten Produktionen gibt er immer einen Teil von sich und seiner Kultur preis. Dafür steht auch Akram Khans sehr persönliches zeitgenössisches Tanzstück „Chotto Desh“, ein Episoden-Mix voller Tanz und Musik, Stimme und Zeichentrick.

Akram ist anfangs fünf Jahre, er kann, er will nicht stillsitzen. Er wird von seinem Vater ermahnt, von seiner Großmutter ebenso. Akram wird älter, wächst heran, trainiert. Er will unbedingt tanzen.

Um diesen großen Traum weben sich die biografisch geprägten Geschichten des britischen Künstlers zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen London und dem Verkehrschaos in Dhaka. Er wandelt in seiner Choreographie zwischen den Welten und vergisst dabei nie seinen Ursprung, seine familiären Wurzeln.

Immer wieder der Vater. Mal als Stimme aus dem Off, mal als Koch, der einst ein ganzes Dorf mit Nahrung versorgte. Der Tänzer zieht Striche auf seiner Glatze, zeichnet ein Gesicht. Augen und Mund blicken mit gesenktem Kopf in die Zuschauermenge.

Poetisch-zauberhafte Momente, als der Choreograph den Zuschauer mitnimmt in die ferne Welt Bangladeschs, in die Mangrovenwälder der geheimnisvollen, wilden, schönen Sundarbans mit ihrer reichen Vogelwelt, den Krokodilen, Honigbienen, Fischen, Tigern. Was da an Tieren sichtbar wird und an Bäumen in den Himmel ragt, ist zeichentrickanimiert. In Perfektion wird der Tänzer eins mit den Bildern. Er streichelt einen Elefanten, er hangelt sich an Bäumen empor, stiehlt den Honig der Bienen, schwankt in einem Boot in den Fluten des Monsuns. Eine Schlange am Baum züngelt. Welch ein Plädoyer für Heimat und Identität.

50 Minuten intensiver Tanz zwischen Hip-Hop und Kung Fu, klassischem Ballett und Kathak, einem Tanzstil aus Indien, der Akram Khan, so hat er einmal gesagt, immer fasziniert habe. Anmutig Arm- und Handbewegungen, schnelle Drehungen, ausdrucksvolle Elemente. Der Tänzer wie eine schleichende Katze, geschmeidig, nicht hörbar. Wie ein Mensch ohne Gelenke. Alles fließt, der Körper, die Bewegungen.

Jung und alt sitzen im Zuschauerraum und lassen sich gefangennehmen vom Tanz, den Bildern und der Botschaft, an Träume zu glauben.

Dass Akram Khan für die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in London 2012 choreographierte, wusste Frank Bernhardt, der künstlerische Leiter des Festivals, anfangs nicht. Er hatte auf seiner Suche nach Theaterinszenierungen von dieser britischen Company gehört und traf auf begeisterte Stimmen darüber, wie das Ensemble mit seinen Körpern Geschichten zu erzählen vermag.

Hätte der Festivalchef als Kenner der Puppen und Objekte um das Renommee der Tänzer gewusst, so sagte er in einem Volksstimme-Gespräch, hätte er nie gewagt, die Truppe nach Magdeburg einzuladen. So aber kann das hiesige Festivalpublikum „Chotto Desh“ als deutsche Erstaufführung erleben. Und hunderte Besucher sind voll des Glücks.