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Erfolgsroman Houellebecqs „Unterwerfung“ im TV

Die ARD zeigt heute die Verfilmung von Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ über die fiktive Islamisierung Frankreichs.

Von Esteban Engel 05.06.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Zuerst tauchen immer mehr Frauen mit Kopftuch auf, später tritt der Rektor der Sorbonne in den Stand der Vielweiberei, ein Muslim wird zum Staatspräsidenten gewählt und wünscht sich weniger Wissenschaft und mehr Religion im Schulunterricht – in Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ kommt die Islamisierung auf leisen Sohlen daher.

Der französische Autor beschreibt in seinem Roman den schleichenden Wandel einer Gesellschaft, die sich Schritt für Schritt dem Koran verschreibt und dann ihre Freiheit aufgibt. Schonungslos hat Houellebecq in seiner ironischen Parabel das Bild eines politischen und gesellschaftlichen Zerfalls gezeichnet.

Der Bestseller, entstanden vor den islamistischen Terroranschlägen auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris, wurde seinerzeit als hellsichtige Zeitdiagnose gepriesen – und Kritik an der Pariser Intellektuellen-Schickeria. Als Theaterstück feierte „Unterwerfung“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg im Einmann-Stück mit Edgar Selge Riesenerfolge.

Die ARD zeigt heute im Ersten Houellebecqs Roman um 20.15 Uhr als TV-Verfilmung. Anschließend diskutiert eine Runde bei „Maischberger“ ab 21.45 Uhr über das Thema. Die Neuproduktion im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) verbindet Szenen aus der Hamburger Inszenierung von Regisseurin Karin Beier mit neuen Filmsequenzen.

Mal spielt Selge seinen Monolog auf der Bühne, mal spaziert er als Beobachter durch Paris oder verkriecht sich zur Meditation in ein Kloster in der Provinz.

Gedreht hat Regisseur und Drehbuchautor Titus Selge unter anderem in Hamburg, Paris und Berlin. Sein Onkel Edgar wandelt dabei durch Zeiten und Orte. Als dauermüder Literaturwissenschaftler François spielt er einen Schlaffi, dem die Frauen nicht mehr zufliegen, der erste Alterszipperlein spürt und die Akademiker-Laufbahn egal geworden ist. Houellebecqs Anti-Held verbindet einen traurigen Existenzialismus mit ermatteter Männlichkeit. „Während ich auf meinen Tod wartete, blieb mir nur noch eins – der Wahlkampf“, stellt er resigniert fest.

Tatsächlich verspricht die Politik Aufregung. In Paris herrscht Bürgerkriegsstimmung. Marine Le Pens Front National ist auf dem Vormarsch. Nur eine Koalition von Sozialisten, Katholiken und der muslimischen Brüderschaft kann die Rechtspopulisten stoppen. Die Rechnung geht auf: Die Koalition gewinnt die Wahlen – der Muslim Ben Abbes übernimmt die Regierung.

Es ist schon starker Tobak, den die ARD und die beim RBB für den Film zuständige Redakteurin von Grimme-Preisträgerin Martina Zöllner („Mitten in Deutschland – NSU: Die Täter“) zur Hauptsendezeit ins Programm nehmen. Houellebecqs Dystopie ist unumwunden einseitig, auf den ersten Blick Argumentationshilfe für „Merkel muss weg“-Rufer. Doch nur auf den ersten Blick.

Mit einer starken Dosis Ironie liefert Houellebecq die pessimistische Bestandsaufnahme einer ermüdeten Gesellschaft. Etwas mehr vom subtilen Humor des Franzosen und etwas weniger Theater-Deklamation hätte man sich für die TV-Verfilmung gewünscht. Dennoch spielt Selge diesen Enttäuschten mit überzeugender Empathie.

François vereinsamt, er verliert seine Anstellung. Ob er nicht doch eine Position in der Sorbonne wieder haben wolle, fragt ihn Rektor Rediger (Matthias Brandt). Rediger hat sich den neuen Verhältnissen angepasst: Der Rektor ist zum Islam übergetreten. Nun will er auch François von den Vorzügen des Islam überzeugen. François zaudert. Zum ersten Mal, sagt er aber dann, habe er begonnen, über Gott nachzudenken.