Sonnabend eröffnet in Halle das Werkleitz-Jubiläums-Festival / Ein Gespräch mit Direktor Herrmann "Ich finde Utopien übrigens super"
Zu ihrem 20-jährigen Bestehen präsentiert die Werkleitzgesellschaft von heute an Arbeiten internationaler Künstler in einem Ausstellungsparcours in Halle. Uta Baier sprach mit Direktor Daniel Herrmann über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und über schlechte Laune.
Volksstimme: Sie feiern in diesem Jahr das 20-jährige Bestehen der Werkleitz-Gesellschaft. Was war gut? Was würden Sie nie wieder machen?
Daniel Herrmann: Ich bin ja erst seit sechs Jahren Leiter. Vorher war ich als Künstler und Gast-Kurator dabei. Aber wenn ich zurückgucke und sehe, wer alles bei uns mitgearbeitet hat und was für Arbeiten entstanden sind, kann ich sagen: Wir haben alles richtig gemacht. Dennoch werden wir beim Festival den Rückblick vermeiden. Wir wollen lieber den Blick auf das lenken, was wir gut können: Künstler bei Neuproduktionen unterstützen.
Volksstimme: Das Festival hat in diesem Jahr den Titel "Utopien vermeiden". In den Ankündigungen liest man von gescheiterten Utopien, von Ängsten und Verlusten - wollen Sie mit Ihrem Festival schlechte Laune verbreiten?
Herrmann: Nein. Der Titel geht zurück auf die Leuchtschrift "Utopien vermeiden" von Martin Conrath, die er auf der ersten Werkleitz-Biennale 1993 gezeigt hat. Wir haben den Titel übernommen, um die Frage zu stellen, ob das Utopien-Vermeiden der richtige Ansatz ist. Ich persönlich finde Utopien übrigens super.
Volksstimme: Dazu haben Sie 20 Kuratoren eingeladen, je einen Künstler zu präsentieren. Warum?
Herrmann: Wir wollten für das Jubiläumsprogramm mit denen arbeiten, die uns in den vergangenen 20 Jahren begleitet haben. Wir haben die Kuratoren gebeten, einen Künstler für eine Arbeit zum Thema einzuladen. So hat zum Beispiel die Kuratorin Sarah Rifky die Künstlerin Salwa Aleryani aus dem Jemen eingeladen, die sich in ihrem Werk mit Erinnerung als rückwärts laufende Fantasie beschäftigt.
Und Annegret Laabs, Direktorin des Kunstmuseums Magdeburg, lädt den Filmemacher Steven Johne ein. Johne zeigt ein Casting, bei dem ein Double für Friedrich Engels gesucht wird, der eine Grabrede auf Karl Marx halten soll.
Volksstimme: Sie ziehen in ein ehemaliges Kaufhaus, das in typischer DDR-Architektur gebaut wurde - kommt der Standort dem Thema des Festivals "Utopien vermeiden" entgegen?
Herrmann: Es ist ein wichtiger Ort in der Stadt - zwischen alter und neuer Stadt. Einst sollte dieser Ort eine Verbindung des alten Halle mit Halle-Neustadt sein. Das war auch eine Utopie. Uns bietet er vor allem die Möglichkeit, das Festival an einem Ort zu bündeln.
Eine Grabrede auf Karl Marx
Volksstimme: Seit einigen Jahren machen Sie jährliche Festivals, zuvor zeigten Sie sieben Biennalen. Warum haben Sie sich für die jährliche Festival-Variante entschieden?
Herrmann: Das hat einerseits mit den Förderstrukturen zu tun. Es ist leichter, ein jährliches Festival zu finanzieren als eine Biennale, die über zwei Jahre vorbereitet wird. Das ist ein praktischer Grund. Außerdem ist es für das Publikum - vor allem das aus der Region - spannender, wenn es jedes Jahr eine Veranstaltung gibt. Biennalen funktionieren eher in den Metropolen.
Volksstimme: Es gab in den vergangenen Wochen viel Kritik an der Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt, vor allem, weil es mal wieder um massive Kürzungen geht. Wie ist die Situation der Werkleitz-Gesellschaft? Haben Sie eine Forderung an die Politik?
Herrmann: Werkleitz erhält eine Grundförderung vom Land. Diese Basis versetzt uns in die Lage, größere Projekte zu stemmen. Wir haben keine Signale vom Land, dass sich das ändert.
Außerdem gelingt es uns, jährlich Drittmittel in doppelter bis dreifacher Förderhöhe zu bekommen. Weil wir nicht nur regional, sondern national und international agieren, können wir sehr verschiedene Fördertöpfe anzapfen, um unsere Arbeit zu machen. Das ist unsere spezielle Situation. Ich fände es aber verheerend, wenn das Land gerade dort sparen würde, wo es seit Jahrhunderten seine Stärken hat: bei Kultur und Wissenschaft. Hier liegen auch die Chancen für die Zukunft des Landes.