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Interview Kebekus: "Nicht jeder muss euch liebhaben"

Carolin Kebekus tritt am 13. Oktober in der Magdeburger Getec-Arena auf. Der Volksstimme stand sie Rede und Antwort.

Von Manuela Bock 20.09.2017, 01:01

Volksstimme: Es heißt, Sie nehmen im Programm überstylte berufsjugendliche Hipster-Eltern aufs Korn. Was ist denn gegen jung gebliebene Erwachsene zu sagen?
Carolin Kebekus: Es geht in meinem Programm darum, dass die junge Generation gar nicht aufbegehren kann. Die Generationen sind so nah aneinander gerückt, dass man mit seinen Eltern zusammen auf Konzerte geht, dieselben Klamotten trägt. In der Natur des Menschen liegt aber eigentlich, dass man sich gegen die ältere Generation auflehnt und sagt: „Was soll der Scheiß?“. Wenn der Vater ein Hipster ist, wie will man den dann fertigmachen? In der Pubertät möchte man mal so eskalieren, dass man die Eltern zur Weißglut bringt. Wenn die aber so mega cool sind, dann bringt man die ja gar nicht auf die Palme. Und weil die junge Generation irgendwie doch gegen die ältere rebellieren muss, wird sie einfach noch spießiger.

Auch diese spießige Schlager liebende Jugend bekommt bei Ihnen ihr Fett weg. Sind die Teens von heute denn wirklich so langweilig?
Langweilig sind die sicher nicht. Aber ich verstehe es nicht. Es gibt viele junge Leute, die völlig frei von Ironie Schlager hören, um den super hippen Eltern etwas entgegenzusetzen und sie aus der Raison zu bringen. Ich habe das früher mit „Rage Against the Machine“ gemacht, da kam mein Vater ins Zimmer und rief: „Mach’ das sofort leiser!“

Und was ist mit der „Youtubeisierung“ des Abendlandes, die Sie thematisieren?
Dabei geht es mir darum, wie heutzutage Informationen aufgenommen werden. Es hat ja kaum ein Mensch noch eine Aufmerksamkeitsspanne, die ausreicht, eine Zeitung durchzulesen. Man bekommt jede Information über Youtube und Co., aber die darf dann auch bitte nicht länger als eine Minute 30 sein.

Wer ist falsch in Ihrem Programm und wer genau richtig?
Fehl am Platze sind die Leute, die überhaupt keinen Bock haben zu lachen oder es nicht gern in der Öffentlichkeit tun. Bei mir darf und soll man gern laut lachen. Wenn man mit Stand-up-Comedy nichts anfangen kann oder zu zart besaitet ist, sollte man lieber zu Hause bleiben. Wer bereit ist, sich auf eine wilde Kopfreise einzulassen, soll aber bitte kommen. Bei mir wird es echt teilweise wahnsinnig, und es spielt sich viel unterhalb der Gürtellinie ab. Alles, was in der Hose passiert, ist einfach unglaublich witzig.

Wie stark improvisieren Sie in Ihrem Programm? Arbeiten Sie mit dem Publikum?
Ich bin nicht so ein Comedian, der sich gleich zu Beginn einen Zuschauer herauspickt und den ganzen Abend anspricht. Ich lasse mir auch keine Stichworte vom Publikum geben, darum geht es nicht in meiner Show. Es ist so: Ich habe mir für diese Abende extra so viel ausgedacht, erarbeitet und erspielt. Ich möchte meinem Publikum unglaublich viel sagen. Wenn ich dann anfange, erst noch eine halbe Stunde herumzulabern über die Region oder so, dann schaffe ich das nicht.

Muss man Angst davor haben, mit Ihnen auszugehen, weil man im nächsten Programm verarbeitet wird?
Das kann durchaus passieren. Ich war jetzt mit einer Freundin im Urlaub. Uns sind wirklich ein paar lustige Sachen passiert. Ihr war sofort klar, dass das im Programm landen wird.

Sie schreiben Ihre Gags alle selbst?
Den Großteil meines Bühnenprogramms schreibe ich selbst. Es ist jedoch nicht so, dass ich mich vorher hinsetze und sage: „So, ich schreibe jetzt mal einen Witz.“ Ein neues Programm entsteht aus Betrachtungen vieler Monate oder sogar Jahren. Bei meiner Fernsehshow „PussyTerror TV“ bin ich auf die Hilfe meines großartigen Teams angewiesen, das mit mir gemeinsam tolle Gags entwickelt. Alles selbst zu schreiben, wäre mir schon aus Zeitgründen nicht möglich.

Testen Sie die Wirkung Ihrer Gags?
In der Fernsehshow nicht unbedingt, aber für die Bühne teste ich vieles erst bei kleinen Shows und Vorpremieren in Sälen mit 200 oder 300 Plätzen. Dort entsteht das Programm erst, dort wird es rund. Dabei merke ich dann auch, welche Nummern einfach gar nicht gehen, und improvisiere viel, weil die Show noch nicht durchgetaktet ist. Das sind meist extrem anstrengende, aber auch spannende Abende, weil ich nie ahnen kann, wohin die Reise geht.

Sie machen auch Musik, ist das ein Ausgleich zu Sarkasmus und zur Ironie?
Das ist ausschließlich ein Hobby für mich, darum ist es wirklich ein Ausgleich, auch wenn ich für die Songs natürlich auch manchmal ironische Texte schreibe.

... Sie können nicht anders. Oder?
Der Reiz ist einfach zu groß, wenn ich eine total schöne Ballade höre, bekomme ich Lust, sie so richtig zu verwursten. Aber das ist nicht nur so, wir haben auch ernste Songs. Im November spielen wir wieder, ich freue mich sehr darauf – auch wenn mein Umfeld sagt: „Bist du bescheuert, dir in deiner einzigen freien Woche noch eine Show reinzuballern? Mach doch einfach Urlaub!“ Aber für mich läuft das ohne Druck, Plattenfirma und Promotion. Sonst wäre es schon wieder Stress. Lieber spielen wir in Köln ganz lokal und singen auf Kölsch.

Wie sehen Sie die Männerwelt von heute? Gibt es noch echte Kerle?
Natürlich gibt es echte Kerle! Dadurch, dass jetzt endlich auch öffentlich so viel über Feminismus diskutiert wird und über sexuelle Belästigungen, hört man auch mehr Männer, die blöd finden, wie manchmal mit Frauen umgegangen wird. Die finden auch blöd, dass in so mancher Männerrunde erstmal ausgewertet wird, wer mit wem gerade Sex hat und welche Tante die größten Brüste hat. Da fühlen sich tatsächlich inzwischen viele Jungs unwohl, sind viel lieber mit Frauen auf einer Augenhöhe und haben eine glückliche Partnerin an ihrer Seite. Genauso ist es beim Thema Gleichberechtigung. Ich jedenfalls kenne ganz viele ganz tolle Männer.

Ihr Kollege Mario Barth hat kürzlich mit seinem Programm, in dem es um die Klischees von Männern und Frauen geht, die Getec-Arena gefüllt. Bald stehen Sie auf derselben Bühne, vermutlich mit anderen Botschaften. Aber welchen?
Oh, bei mir geht es auch um Klischees! Meine Hauptbotschaften gehen an die vielen jungen Frauen, die oft im Publikum sitzen: „Hey Mädels, macht euch nicht klein!“. Und: „Nicht jeder muss euch liebhaben!“