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Kabarett Die dunklen Gassen der Weltpolitik

Die Magdeburger Zwickmühle feierte am Dienstagabed Premiere mit ihrem Programm "Kommt Zeit, kommt Tat".

Von Rolf-Dietmar Schmidt 14.09.2016, 23:01

Magdeburg l Das satirische Graben vom Schein zum Sein, das Vordringen zum Wesen der Ereignisse ist sisyphos’sche Schwerstarbeit. Und dabei schont Hans-Günther Pölitz im neuen Programm „Kommt Zeit, kommt Tat“ weder sich noch Marion Bach, aber auch nicht das Publikum.

Immerhin zwei Stunden geschliffene Texte, bei denen man genau hinhören und schnell denken muss. Die beiden Kabarettisten rasen nämlich durch beinahe alle Winkel und dunklen Gassen der Weltpolitik, verschonen dabei weder Goethe noch Obama, entkleiden höchst intelligent die nebulösen Verhüllungen der Granden unserer Zeit, bis diese nackt wie in des „Kaisers neue Kleider“ im Weißen Haus oder in der Berliner SPD-Zentrale sitzen.

Eine solche politisch-satirische Dichte erreicht man mit den herkömmlichen Nummernprogrammen nicht. „Kommt Zeit, kommt Tat“ ist deshalb auch feinsinnig als politisch-satirische Konversation untertitelt. Konversation ist ein Gespräch unter Beachtung von Umgangsformen. Doch die sind in der Realität nicht immer fein, was die Künstler dann auch zum Ausdruck bringen. Da wird der alte Goethe hemmungslos vom Thron der Unberührbarkeit gestoßen und anhand seiner Gedichte als früher Islamist entlarvt, da geht es um Schockbilder auf dem Wahlzettel, und bei den Versen eines Schmähgedichtes auf ein Böhmermann’sches Schmähgedicht muss man schon zweimal um die Ecke denken.

Zwischendurch wird die Konversation musikalisch fortgesetzt. Das sind die großen Momente der Marion Bach. Sie sind vom Regisseur Rainer Otto geschickt eingebaut, so dass sie die Konversation nicht unterbrechen, sondern pointiert unterstützen.

„Tatenlos“ statt „Atemlos“ heißt es in Anlehnung an einen Helene-Fischer-Schlager, oder „Denkt Ihr schon wieder an den Krieg?“ mit deutlichem Hinweis auf 30 000-Mann-Nato-Manöver direkt an den russischen Grenzen. Und die Stationierung der Eingreiftruppe dort sei ja keine Stationierung, sondern ein Rotationsprozess, der allerdings „wie Russisches Roulette“ wirke.

Und dann schleicht sich doch noch eine Kabarettnummer in die Konversation ein: als zwei Bundeswehrsoldaten beim Einsatz im Innern in voller Ausrüstung im Publikum nach Terroristen suchen. Zwar bleiben sie dann doch ihrer politisch-satirischen Konversation treu, doch zuvor mischen sie mit kräftigen Kalauern die Stimmung erfolgreich auf.

Es ist bei aller Feinsinnigkeit wichtig, dass ebenso herzhaft gelacht werden kann. Das unterstreicht Marion Bach noch einmal in einer Glanzrolle als Verwirrte beim Psychiater, bei der sie alles an schauspielerischem Können aufblitzen lässt, was in ihr steckt. Mit tosendem Szenenbeifall wird sie belohnt, bevor die beiden Kabarettisten mit einem sehr nachdenklichen Lied enden: „Lebe Dein Leben“, das „alles oder nichts“ sein kann.

Karten sind noch für die Vorstellungen ab dem 20. September erhältlich.