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Reginald Richter wird 80 Ein ganzes Leben in Glas

14.07.2011, 04:30

Eine Blume machte Reginald Richter berühmt. Jeder in der DDR kannte sie, obwohl sie in keinem Garten wuchs und es nur ein einziges Exemplar von ihr gab. Die Gläserne Blume im Palast der Republik war so etwas wie ein Treffpunkt für die gesamte Republik. Am Sonnabend wird ihr Schöpfer 80 Jahre alt.

Von Wolfgang Benndorf

Magdeburg/Berlin (dpa). Für den Magdeburger Künstler war die Gläserne Blume im Berliner Palast der Republik nur ein Werk von vielen. Teil seines "Gesamtwirkens", wie er sagt. Das begann für den am 16. Juli 1931 in Wien geborenen Reginald Richter im Jahr 1947. Nach der Vertreibung aus Nordböhmen hatte er in der Lausitz die Wahl, entweder den Beruf eines Maurers oder den eines Glasgraveurs zu lernen.

"Ich wusste gar nicht, was das ist", sagt Richter schmunzelnd. Dass er sich schließlich für das ihm unbekannte Metier entschied, habe er sein Leben lang nicht bereut. Die Liebe zum Glas und zur Kunst war entfacht.

Nach dem Studium an der Fachschule für angewandte Kunst in Magdeburg schloss er sich mit Gleichgesinnten zusammen und gründete 1972 das "Kollegium Bildender Künstler Glasgestaltung Magdeburg", dem er bis zu dessen Auflösung im Jahr 2000 angehörte. Richters Werke zierten Schulen, Kaufhäuser, öffentliche Gebäude und Plätze.

Heinz Graffunda, Chefarchitekt des Palastes der Republik, holte den Magdeburger Anfang der 70er Jahre nach Berlin, um für das Foyer ein "Raum füllendes, prägendes Kunstwerk" zu schaffen. So entstand die Gläserne Blume.

"In der Kunstkonzeption war eine Glas-Stahl-Plastik vorgesehen", sagt Richter in Erinnerung an die Vorgabe. Bis zuletzt mussten alle im Palast tätigen Künstler um die Realisierung ihrer Vorschläge bangen. Das letzte Wort bei der Gestaltung des Gebäudes hatte stets das Politbüro der SED. Richters "Plastik" ging durch und wurde zum Symbol für das Haus.

Nicht jeder mochte sie. "Als in den 1980er Jahren Gespräche zwischen SED und SPD im Palast stattfanden, wollte Honecker die Gläserne Blume entfernen lassen, weil sie den Konferenzcharakter störe", erzählt Richter. Der Aufwand, das Kunstwerk ab- und wieder aufzubauen, wäre aber zu groß gewesen. So blieb sie stehen. Bis zum Ende der DDR und "ihres" Palastes. Eingelagert im Haus der Geschichte in Berlin, überlebte das Kunstwerk den Abriss. "Vielleicht wird es im Rahmen des Schlossneubaus im geplanten ¿Ort der Geschichte‘ wieder aufgebaut", sagt der Künstler.

Viele andere seiner Werke verschwanden im Nachwendebauboom mit den Gebäuden, die sie zierten, auf Nimmerwiedersehen. Auch die Glaskunst, wie er sie praktizierte, scheint damit unterzugehen. Einige Werke entstanden nach der Wende für Bauten in Magdeburg und Erfurt.

Vor zehn Jahren schloss Richter sein Atelier. Er bedauert es, den Staffelstab nicht weitergeben zu können. Seine drei Söhne sind in anderen Berufen tätig, und die Kunstfachschule in Magdeburg gibt es schon lange nicht mehr. "Reginald Richter – Glas" ist der schlichte Titel einer Ausstellung, die das Magdeburger Forum Gestaltung dem Künstler zu dessen 80. Geburtstag gewidmet hat. Sie zeigt noch bis zum Sonnabend Arbeiten aus seiner Lehrlingszeit sowie Modelle und Fotos seiner Arbeiten im öffentlichen Raum im In- und Ausland. "Ein Leben in Glas", wie es der Künstler selbst nennt.