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Halberstädter Domfestspiele erweisen einer Synagogengründung die Ehre mit ihrem Programm Musik begleitet den Dialog der Religionen

Von Sabine Scholz 02.05.2012, 05:24

Ein fein aufeinander abgestimmtes Programm bieten dieses Jahr die Halberstädter Domfestspiele. Das steht in diesem Jahr unter dem Thema "Dialog der Religionen" und vereint Werke großer Meister und junger Komponisten.

Halberstadt l Sehr verschiedene Werke sind es, die in diesem Jahr das Bild der Domfestspiele prägen. Zwar sind Felix Mendelssohn-Bartholdy und Leonard Bernstein in beiden großen Konzerten des Wochenendes vertreten, aber mit sehr unterschiedlichen Arbeiten. "Es ist ein tolles Programm" schwärmt Johannes Rieger schon vorab. Der Intendant des Nordharzer Städtebundtheaters meint dabei nicht nur das, was sein Haus zu den Festspielen auf die Beine stellt. Das wird neben der Wiederaufnahme der im vergangenen Jahr gefeierten Ballettaufführung "Maria Magdalena" auch ein großes Orchesterkonzert im Dom sein.

Das verbindet ebenso wie das große Oratorienkonzert der Domkantorei musikalisch das Thema, unter dem die Domfestspiele in diesem Jahr stehen: Dialog der Religionen. Anlass dieser Themenwahl ist die Einweihung der großen Barocksynagoge Halberstadts im Jahr 1712. Gestiftet von Berend Lehmann, er war unter anderem Finanzier des sächsischen und des Hannoveraner Herrscherhauses, war die große Synagoge eine der prachtvollsten ihrer Art in Deutschland. Bis sie 1938 auf Befehl der Stadtverwaltung von der jüdischen Gemeinde abgetragen werden musste. Die Brandschatzung des Gotteshauses am 9. November 1938 hatte man zwar verhindert, den Abriss aber getreu der NS-Ideologie dennoch angeordnet.

Das Schicksal der Juden in Deutschland, ihre Ausbeutung, ihr segensreiches Wirken in unterschiedlichsten Bereichen des Lebens beleuchten Vorträge und die Konzerte der Festspiele. Die werden schon seit einigen Jahren von Veranstaltungen der Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadts (MMA) umrahmt. In diesem Jahr gewinnt diese Zusammenarbeit eine neue Qualität, wie Akademiedirektorin Jutta Dick feststellt. Die MMA lädt am 31. Mai zu einem Vortrag ein, den die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Klosters Drübeck gestaltet. Dabei geht es um Frauenstifte, deren Geschichte vom Mittelalter bis in die Neuzeit reicht und die wesentlichen Einfluss sowohl auf die Politik ihrer Zeit hatten als auch durch eine ungewöhnlich liberale Haltung gegenüber der jüdischen Bevölkerung auffallen.

Auch zum Abschluss der Festspiele lädt die MMA in ihren Sitz ein. In der Klaussynagoge, ein ebenfalls von Berend Lehmann gegründetes ehemaliges Rabbinerseminar im Rosenwinkel Halberstadts, geht es um "jüdische" Kammermusik des Barock. In einem kommentierten Konzert geben Dr. Simon Paulus und die "Kleine BarockPhilharmonie" aus Braunschweig einen Einblick in die jüdisch-christliche Musikpraxis am Anfang des 18. Jahrhunderts.

Die gegenseitige Befruchtung von christlicher Kirchenmusik und synagogalen Gesängen spiegelt sich auch in den Konzertprogrammen des Festivals. So hatte der Katholik Franz Schubert für die Wiener Synagoge in Hebräisch den 92. Psalm komponiert. Die deutsche Übersetzung, die in Halberstadt erklingen wird, stammt von Moses Mendelssohn, dem großen jüdischen Aufklärer und Großvater Felix Mendelssohn-Bartholdys. Diesem ist nicht nur die "Wiederentdeckung" der Barockmusik zu verdanken. Der Protestant mit jüdischen Wurzeln verschmolz in seinem "Lobgesang" Sinfonie und Kantate und ist ein Werk, das sowohl in Kirchen als auch in Konzertsälen bestand. Diese Religiosität jenseits kirchlicher Bindungen und die Erweiterung der instrumentalen Mittel durch Einbeziehung von Chor und Solisten ist in vielen Stücken zu erleben, die zu den Domfestspielen erklingen werden. Unter anderem sind Arien und Duette aus Händels Oratorium "Israel in Ägypten" zu hören. In beiden Konzerten vertreten ist ebenfalls Leonard Bernstein. Zum einen erklingen am 2. Juni die "Chichester Psalms", die 1965 in der Tradition der großen englischen Chorfestivals entstanden und viele verschiedene Musikstile vereint. Zum anderen ist Bernsteins 1. Sinfonie zu erleben, die er 1942 schuf.

Das Orchesterkonzert am 3. Juni bietet auch die Komposition eines sehr jungen Künstlers. Elischa Kaminer, geboren 1991, schuf 2008 für die Orchesterwerkstatt Halberstadt "Diaspora", ein Werk, in dem sich Kaminer mit dem Begriff der Diaspora auseinandersetzt.