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Magdeburger Karikaturist und Cartoonist Philipp Hubbe stellt in der "Kunstwerkstatt" aus Von Sehbehinderten beim Blinddate und der Diagnose Rollstuhl beim Arzt

Von Sara Krasemann 28.09.2012, 01:14

In den Räumlichkeiten der "Kunstwerkstatt" im Buckauer Engpass stellt der Magdeburger Karikaturist und Cartoonist Philipp Hubbe seine "Handicaps" aus.

Magdeburg l Für den Leiter der Galerie und des Ateliers, Jürgen Hänel, sei es sehr wichtig, Hubbes Arbeiten hier zu präsentieren, denn er halte sie für bestens geeignet, Distanzen abzubauen. Lars Johansen von den Magdeburger Kugelblitzen hatte seinen Freund und Kollegen als den ersten Karikaturisten in Deutschland beschrieben, "der erkannt hat, dass man nicht behindert ist, sondern behindert wird". Und freilich das vermitteln die 48 ausgestellten Zeichnungen und Comics dem Betrachter, ebenso wie das Gefühl für ein Leben aus der Perspektive eines körperlich eingeschränkten Menschen.

Zwei Sehbehinderte beim Blinddate, die Diagnose "Rollstuhl" beim Arzt, die Unannehmlichkeiten eines barriereunfreien Rollifahrens in der Öffentlichkeit oder die Reaktionen der "Normalen" auf einen behinderten Zeitgenossen - Phil Hubbe versetzt seine niedlich gezeichneten Comic-Figuren in allerlei Situationen, denen sich ein gehandicapter Mensch im Leben stellen muss, und lässt dabei fast nichts ungezeichnet.

Ungewohnt und spannend daran ist, dass er sich dazu vornehmlich an den dunklen Nuancen der Humorpalette bedient: von ironisch über sarkastisch bis hin zu bitterböse und rabenschwarz kommen seine Witze daher.

Mit der Diagnose Multiple Sklerose leben

Wie kommt jemand eigentlich dazu, Karikaturen von Menschen mit Behinderungen zu zeichnen? Man sieht es dem 1966 in Haldensleben geborenen Hubbe, der tagespolitischer Karikaturist und Zeichner für Tagespresse wie die Magdeburger Volksstimme, die Schweriner Zeitung oder die Braunschweiger Zeitung und für das Sportmagazin Kicker ist, nicht an, doch er ist selbst betroffen. Als er 1992 sein Hobby zum Beruf macht - bereits als Kind zeichnet er Comics wie die Digidags aus den Mosaik-Heften ab und schaut dem Großvater, einem Kunstmaler, über die Schulter - muss Hubbe schon seit vier Jahren mit der Diagnose Multiple Sklerose leben, was sein gesamtes Leben und auch seine Sichtweise maßgeblich beeinflusst.

1999 beginnt er, seine Krankheit in Zeichnungen zu verarbeiten. Als Auslöser, sich dies auch in der Öffentlichkeit zu trauen, nennt Hubbe den US-Amerikaner John Callahan (1951-2010), der nach einem Autounfall querschnittsgelähmt zu zeichnen begann und Mitte der 1990er in den USA eine Welle der Entrüstung durch die Veröffentlichung seiner makaberen Behinderten-Comics auslöste. Davon beeindruckt und von Freunden und Bekannten ermutigt, beginnt Hubbe ebenfalls, seine eigene und andere Behinderungen in Comics zu thematisieren.

Lob und Anerkennung für Bücher und Kalender

Die ersten Zeichnungen übergibt er zur neutralen Prüfung einer Behindertengruppe, die ihn nicht kennt. Begeistert geben sie ihm Tipps und ermutigen ihn, weiterzumachen. Damit ist Hubbe tatsächlich der erste in Deutschland, der es sich traut, Behindertenkarikaturen zu publizieren. In den folgenden Jahren erntet er damit Erfolg, Lob und Anerkennung in der gesamten Republik: 2004 erscheint sein erstes Buch "Der Stuhl des Manitou - Behinderte Cartoons". Es folgen bis heute drei weitere der Serie und seit 2007 jährlich der Kalender "Handicaps" - allesamt Verkaufsschlager mit Kultstatus. Heute zeichnet er unter anderem für die Magazine "Werkstatt Dialog" und "Handicap", bekommt Anfragen von karikativen Vereinen und Behindertengruppen. Seit 2003 zieht er jährlich mit drei bis vier Ausstellungen wie "Mit Behinderungen ist zu rechnen" oder "Lachen erlaubt" durch die Lande und 2006 verleiht ihm die Hertie-Stiftung den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe.

"Gerade Betroffene können viel mehr darüber schmunzeln als Nicht-Betroffene", erklärt Hubbe und so häufen sich im Laufe der Jahre im Gästebuch seiner Homepage hubbe-cartoons.de Komplimente und Ermutigungen wie diese: "Danke, dass endlich mal jemand die Hürde überspringt und sagt und zeigt, was uns bis dahin trennte."

Betroffenen geht es um Akzeptanz und Toleranz

Aber auch an andere Reaktionen ist Hubbe gewöhnt: "Gerade bei Ausstellungen merke ich immer wieder, dass die Leute davorstehen und sich nicht trauen, zu lachen." Getreu dem verbreiteten Gedanken "Nein, nein! Schwarzer Humor mit Behinderten, das darf man nicht..." (Sprechblasentext einer seiner Zeichnungen) stellen sich Nicht-Betroffene gern schützend vor die Behinderten. Doch den meisten Betroffenen gehe es eher um Akzeptanz und Toleranz als um Schutz.

Hubbe möchte in erster Linie zum Lachen anregen, damit die Leute lockerer werden. Denn wie es Lars Johansen treffend bei der Ausstellungseröffnung formuliert hatte, zeigt sich Toleranz erst dann, "wenn miteinander übereinander gelacht wird". So ist in Sachen Inklusion gewiss noch viel zu schaffen.

Phil Hubbe hat mit seinen "Behinderten Cartoons" zweifellos seinen Anteil daran. Bis zum 14. Oktober ist die Ausstellung dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr und samstags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Es darf gelacht werden!