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Schere, Stein, Papier Neue Töne: Sondaschule werden politisch

Die Spaß-Ska-Punker von der Sondaschule begeistern ihre immer zahlreicher werdenden Fans seit 15 Jahren mit humorvollem Liedgut - gerne über Themen wie das Kiffen, die Liebe oder One-Night-Stands. Jetzt schlagen die Ruhrpottler ganz andere Töne an.

Von Britta Schultejans, dpa 07.07.2017, 05:00

Berlin (dpa) - Kiffen, Alkohol, gute Laune: Seit 15 Jahren schon begeistert die Sondaschule ihre immer größer werdende Fangemeinde mit Ska-Musik und Spaß-Punk. Die Konzerte der Ruhrpottler aus Mülheim und Oberhausen sind immer große Partys.

Doch besondere Zeiten fordern besondere Maßnahmen: Auf ihrem neuen Album "Schere, Stein, Papier" zeigt sich die Band um Frontmann Tim Kleinrensing (alias Costa Cannabis) so politisch wie noch nie, singt über lähmende Terrorangst und wachsende Fremdenfeindlichkeit.

Eine erste Single-Auskopplung handelt mit viel schwarzem Humor von einer Schreckensvision: "Zum Glück gibt es ab Donnerstag Waffenschein bei ALDI und wer weiß vielleicht sind hoffentlich schon Freitag endlich alle Menschen tot."

"Bei uns war jedes Album anders als das davor, aber dieses ist besonders anders", sagt Kleinrensing, Mastermind, Frontmann, Sänger und Autor aller Songs. Jahrelang habe er keinen Grund gesehen, politische Musik zu machen. Denn: "Jeder, der uns kennt, kennt unsere Musik und weiß auch, wofür wir stehen. Ich fand das immer etwas abgedroschen, sich dann auch noch explizit politisch zu äußern. Aber mittlerweile ist es in der Welt so, dass ich nicht untätig zusehen wollte", sagt er. 

"Wir waren zu der Zeit im Studio, als Trump noch nicht Präsident war, wo aber ganz viele Deutsche plötzlich anfingen, seltsame Ansichten über Flüchtlinge zu äußern - selbst in meinem Umfeld passiert das langsam. Damit hätte ich nie gerechnet und darum wird es Zeit, klar meine Meinung dazu zu äußern - und Position zu beziehen." Heute, so glaubt er, müssten Künstler Verantwortung übernehmen. "Musik ist der einzige Weg, der die Menschen noch erreicht."

Und so befasst die Band, die beim Festival "Rock am Ring" in diesem Jahr auch den Terroralarm hautnah miterlebte, sich in ihrem siebten Album mit den großen Themen dieser Zeit. Kleinrensing singt mit von Platte zu Platte dunkler werdender Stimme dieses Mal auch von wachsender Fremdenfeindlichkeit in Deutschland und neuen Mauern in den Köpfen der Menschen, die zur WM 2006 noch die "Welt zu Gast bei Freunden" hatten ("Ostberlin).

Im Titelsong stellt die Band die entscheidende Frage nach Menschlichkeit: "Am Ende liegt's bei Dir: Himmel oder Hölle - Schere, Stein, Papier." Dazu gibt es aber auch altbewährt Leichteres wie eine chillige Hommage an die Kiffer-Hochburg "Amsterdam" mit Reggae-Anklängen und den Vorschlag zu einem Frühstück in "Palermo".

Die Band, die in früheren Jahren noch sehnsüchtig von einer "Pizza Double Lucky" - gefüllt mit viel Cannabis - fantasierte, konnte schon auf ihrem vorherigen und bislang erfolgreichsten Album "Schön kaputt", das es vor zwei Jahren in die Top 10 schaffte, nicht mehr verhehlen, dass die Musiker inzwischen erwachsen geworden sind.

"Wir machen immer noch alles selbst, aber unser Umfeld ist professioneller geworden", sagt Kleinrensing, betont aber: "Es macht auf jeden Fall genau so viel Spaß." Und wenn es nach ihm geht, soll es "jedes Jahr ein bisschen größer werden". Er habe zwei Lebensträume. "Und einen habe ich mir erfüllen können, als wir bei 'Rock am Ring' auf der Hauptbühne standen."

Diesen Traum und die Freude an seinem Job will er sich auch von Terrorangst nicht kaputt machen lassen: "Ich verstehe, wenn man Angst hat, aber ich habe die überhaupt nicht. Man kann auch über die Straße laufen und vom Auto überfahren werden. Es gibt mehr Verkehrstote als Terroropfer und wahrscheinlich kommen sogar mehr Menschen bei Hai-Angriffen um. Es passiert im Leben ja alles, ohne dass man es beeinflussen kann. Ich blende das also komplett aus."

So ist das neue Album der Band vor allem ein Appell, sich nicht verrückt zu machen, das eigene Leben nicht aus der Hand zu geben und es vor allem nicht "all den Pessimisten, all den Terroristen" zu überlassen, wie es in "Waffenschein bei ALDI" heißt.

Website Sondaschule