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Theater Diese „Fledermaus“ funkelt

Standing Ovations in Halberstadt für die großartige Premiere der „Fledermaus“ und das stimmungsvolle Theaterfest am Sonnabend.

Von Hans Walter 18.09.2016, 23:01

Halberstadt l Mit dem Regisseur Walter Sutcliffe, der Ausstatterin Andrea Kaempf und dem Dirigenten Florian Kießling hatte das Nordharzer Städtebundtheater bei der „Fledermaus“ gleich drei Trumpfkarten gezogen. Nach 17 Jahren Abwesenheit kehrte das Johann-Strauß-Werk auf die Harzbühne zurück. Der „Königin aller Operetten“ wurde ein triumphaler Empfang bereitet.

Die Regie und die Dramaturgie (Susanne Range) stellten den Notar Dr. Falke (Michael Rapke) von der Ouvertüre bis zum Finale im dritten Akt als Strippenzieher des Streichs um die unheilige Familie Eisenstein durchgehend vor. Anfangs schlüpft er in ein geiles Batmann-Kostüm; dann regiert er im Anzug das wahnwitzige bourgeoise Trugspiel mit Maskeraden und Rollenwechseln. Er spielt und singt mit Grandezza.

Andrea Kaempf schuf ein konstruktivistisches Einheitsbühnenbild – einen aufwendigen prismatischen Raum. Wie eine Edelsteinstruktur. Was zu verhandeln ist, funktioniert ebenerdig ohne Showtreppe. Nur mit drei Stühlen als Podest für Eisenstein (Tobias Amadeus Schöner), für seine Frau Rosalinde (Bettina Pierags) und für den Prinzen Orlofsky. Der Chor steht unten.

„Kein russischer Großfürst, ein runter- und rumgekommener Kleinfürst in einem ,kleinen Badeort‘“, sagt das Programmheft. Als Sexspielzeug tummeln sich halbnackte Badende unter den Ballgästen. Dieser Orlofsky ist ein Mann mit Charisma. Nicht wie gewohnt mit einer Altistin besetzt, sondern mit dem britischen Countertenor Denis Lakey in rotem, fließendem Ballkleid. Wie eine Drag Queen; Olivia Jones hätte ihre helle Freude an ihm und an seinem Spiel mit den Geschlechtern. Er war zuletzt als bekennender Händel-Fan in der Barockoper „Arminio“ in Halberstadt zu erleben, nun ganz anders in der Operette. Spannung in jeder Sekunde.

Der junge britische Starregisseur Walter Sutcliffe, erstmals am Städtebundtheater, sezierte die Mechanismen des Spiels um Schein, Sein und Selbstbetrug mit Genauigkeit, überwältigendem Charme, spielerischer Erfindungsgabe und bisweilen sogar mit lakonischer Slapstick-Komik. Eisenstein tummelt sich bei Orlofsky als „Marquis Renard“ und sein Eheweib als ungarische Gräfin; beide sind rattenscharf auf ein Abenteuer. Das Dienstmädchen Adele (Bénédicte Hilbert) versucht als „Künstlerin“, sich die Protektion des „Chevalier Chagrin“ – des Gefängnisdirektors Frank (Klaus-Uwe Rein) – zu erschlafen. Ziemlich finster, diese feine Gesellschaft! Im Schlusslied weisen sie alle der vermeintlichen Ursache für das Debakel die Schuld zu: „Champagner hat’s verschuldet“. Sie werden unbeirrt ihr bürgerliches Heldenleben fortsetzen.

Musikalisch brachten ausnahmslos alle Solisten, das Orchester unter dem jungen Dirigenten Florian Kießling und der von Jan Rozehnal einstudierte Chor das Juwel „Fledermaus“ zum Funkeln. Eine erlebenswerte grandiose Ensembleleistung. Schön, wie damit das aufwendige Theaterfest inhaltlich korrespondierte. Es gab Essen, das Schauspielensemble veranstaltete ein Quiz zu Personen der Zeitgeschichte, Intendant Johannes Rieger performte Arthur Schnitzlers Einakter „Halbzwei“, das Ballett tanzte Wiener Walzer, und zum Abschluss nahm der Bassist Gijs Roelof Nijkamp die Zuhörer auf seine musikalische Weltreise mit. Ein großes Erlebnis.

Die nächsten „Fledermaus“-Vorstellungen: In Quedlinburg am 22. September und 22. Oktober, in Halberstadt am 2. und 31. Oktober.