Schauspieler Devid Striesow im Volksstimme-Interview über seinen neuen Film "Sputnik" Von Kotzbrocken und Kinderträumen
Der in der Altmark gedrehte Kinderfilm "Sputnik" läuft kommenden Donnerstag (24. Oktober) bundesweit in den Kinos an. Alexander Dinger sprach mit dem Schauspieler Devid Striesow über Ost-West-Erfahrungen, Kinderträume und das Gefühl, einen Kotzbrocken spielen zu müssen.
Volksstimme: In Sputnik geht es im Grunde auch um die Verwirklichung eines Kindertraums. Von was haben Sie als Kind geträumt?
Devid Striesow: Ich hatte wenig mit Science-Fiction am Hut. Ich habe mich mehr für geschichtliche Dinge interessiert. Ich habe zum Beispiel Romane über Dschingis Khan gelesen. Das geht mir bis heute so.
Volksstimme: Sie verkörpern, mit Verlaub, im Film einen richtigen Kotzbrocken. Wie fühlt es sich an, von den anderen gehasst zu werden?
Devid Striesow: Klar, der Charakter ist der Gegenentwurf zur kleinen Heldin. Der Mephisto ist immer eine der interessantesten Figuren. Die Reaktionen der Kinder bei den Premieren waren auch echt klasse. Die finden Volkspolizist Mauder richtig scheiße und sagen einem das dann auch, wenn man persönlich da ist. Gerade Kinder halten mit ihrer Meinung ja nicht hinterm Berg.
Volksstimme: Denken Sie, dass die Reaktionen des Publikums in Ost und West ähnlich ausfallen werden, oder ist das für Sie ein gesamtdeutscher Film?
"Wenn ich mir die Szenen anschaue, könnte ich immer wieder heulen."
Devid Striesow: Das ist ein gesamtdeutscher Film, der könnte genauso in der heutigen Zeit spielen. Der Film ist aber in einer Nacht angesiedelt, in der gerade für die Erwachsenen damals sehr viel passiert ist. Die Szenen mit den Grenzöffnungen sind hochemotional. Wenn ich mir das anschaue, könnte ich immer wieder heulen. Das hört nicht auf, obwohl es schon so lange her ist.
Volksstimme: Es ist ein Kinderfilm, der versucht, ein realistisches Bild zu zeichnen ...
Devid Striesow: ...in einem dunklen Landstrich, der sich Altmark nennt (lacht). Ich denke eher, dass der Film versucht, die Zeit über Drehort und Requisiten zu skizzieren. Man will ja keinen Dokumentarfilm drehen. Die Details sollen stimmen.
Volksstimme: Die Kinder kennen die DDR-Geschichte nur aus Erzählungen. Sollen die Kinder durch diesen Film zum Fragen animiert werden?
Devid Striesow: Klar. Ich habe einen 15-jährigen Sohn. Der hat natürlich einen ganz anderen Bezug zu der Zeit. Der verdrückt keine Träne mehr, wenn er Bilder von den Grenzöffnungen sieht. Das ist für ihn eine ganz andere Welt. Und das ist ein schöner Anspruch des Films. Dass man das Thema mit den Kindern gemeinsam erörtern muss.
Volksstimme: Das kleine Örtchen Möllenbeck in der Nähe von Stendal ist die ideale Kulisse. Was haben Sie gedacht, als Sie das erste Mal dort waren?
Devid Striesow: Als ich das erste Mal dort war, war der Ort bereits zum Set umdekoriert. Insofern habe ich ein belebtes Filmdorf gesehen. Die Bausubstanz ist unglaublich schön und die Landschaft urig. Da ist vieles noch im Originalzustand. Möllenbeck und umliegende Orte wären eine gute Kulisse für viele weitere Filme. Die gesamten Dreharbeiten waren wie eine kleine Reise. Besonders die Einwohner vor Ort haben ein ganz besonderes Dankeschön verdient. Die waren nicht nur Komparsen, sondern auch unheimlich nett.
Volksstimme: Kindertexte zu schreiben, gilt als Königsdisziplin. Man muss komplizierte Sachverhalte einfach darstellen und dabei nicht vergessen, die Kinder ernst zu nehmen. Wie ist das beim Film?
Devid Striesow: Man muss die Kinder als Figur und in der Geschichte ernst nehmen. So muss Volkspolizist Mauder im Film auch ziemlich brachiale Sachen machen: Leute verhaften, Kinder anschnauzen. Das sind ja eigentlich ziemlich brutale Vorgänge. Das muss der aber machen, damit die Welt der Kinder auch ernst genommen wird. Sonst wäre er keine Bedrohung. Wir spielen also auf Augenhöhe. Erst so können die vier Hauptcharaktere zu Helden werden. Mauder ist ja so böse, dass die Kinder eigentlich Angst kriegen müssten.
Volksstimme: Also ich habe Sie in mehreren Szenen gehasst.
Devid Striesow: Dankeschön (lacht).
Volksstimme: Wo waren Sie, als die Berliner Mauer fiel?
Devid Striesow: Ich war in Rostock. Wir hatten damals Gauck als Pfarrer. Der predigte in der Marien-Kirche. Von da aus gingen wir immer in die Innenstadt. Das zog sich bis zu den Grenzöffnungen. Am Abend der Grenzöffnung war ich aber zu Hause - wir haben uns die Bilder im Fernsehen angeschaut. Am Wochenende drauf sind wir zu Bekannten nach Hamburg gefahren.
Volksstimme: Wie war das?
Devid Striesow: Wir standen natürlich ewig im Stau. Ich erinnere mich, dass wir auf einem Parkplatz ein Klempner-Ehepaar kennen gelernt haben, das uns dann noch netterweise nach Hamburg reingelotst und uns zum Kaffee eingeladen hat. Dort erzählte der Mann auch von seiner Arbeit als Klempner. Und ich weiß noch, wie mein Bruder den dann empört fragte: "Was, ihr habt hier echte Kupferrohre?" (lacht) Das war großartig.