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Premiere für "Lügen schaffts Amt" in der "Magdeburger Zwickmühle" Wahrheit ist ein heißes Eisen

Von Rolf-Dietmar Schmidt 15.09.2011, 04:31

Wann erlebt man in einem politisch-satirischen Kabarett schon mal Bravorufe und rhythmisches Klatschen auf offener Szene? Bei der Premiere am Dienstagabend des Eröffnungsprogramms der "Magdeburger Zwickmühle" zur neuen Spielzeit mit "Lügen schaffts Amt" war das der Fall.

Magdeburg. Wann immer die Frage auftaucht, wo eigentlich die politischen Kabarettistinnen in Deutschland geblieben sind, kann man laut ausrufen: "In Magdeburg, bei der Zwickmühle, und ihr Name ist Marion Bach!" Sie ist in dem Zwei-Personen-Programm über Strecken der Star, singt, tanzt und parodiert Angela Merkel in einer Weise, die das Publikum zu Begeisterungsrufen hinreißt.

Ob es nun der Regie von Rainer Otto und der zurückhaltenden Weisheit von Hans-Günther Pölitz zu danken ist, den brillanten Texten von Pölitz, Bach, Olaf Kirmis oder Lothar Bölck, sei dahingestellt. Mit diesem Programm im 15. Jahr der Magdeburger Zwickmühle ist ein kabarettistischer Paukenschlag gelungen.

Die Wahrheit und die Lüge als Thema ziehen sich wie ein roter Faden vom ersten Auftritt bis zum Schlussabgang durch das Geschehen. Dieser rote Faden ist gespickt mit intelligenten Geistesblitzen, ungeahnten schauspielerischen Fähigkeiten und hervorragend intonierten Liedern.

Das Duo weiß genau, wann ein Kalauer angebracht ist, um wenige Augenblicke später Voltaire oder Einstein zu zitieren. So entsteht ein Wechselbad von geistiger Forderung und entspannendem Lachen, das dem Publikum und vermutlich auch den Kabarettisten (dem Vernehmen nach soll das Textbuch 60 Seiten umfassen) allerhand abverlangt.

Das Thema Wahrheit und Lüge ist so alt wie die Menschen. 200 Mal am Tag soll der Mensch angeblich lügen, resümiert Hans-Günther Pölitz eine Studie, nicht ohne hintergründig zu bemerken, dass allerdings außer den Politikern niemand dafür bezahlt werde.

Marion Bach als betrunkene Göttin

Nach diesem Einstieg widmen sich die Kabarettisten den kleinen und großen Lügen der Geschichte, verschonen weder die griechischen Götter, den Papst, Politiker, die Banken oder den lieben Gott. Hans-Günther Pölitz will den Atommüll in die Endlagerstätte Vatikan verbannen. Schließlich stünde schon in der Bibel, dass "die auf den Herren sehen, strahlen werden". Und dank des Zölibats seien auch keine Spätfolgen zu erwarten.

Mit dem Lied "Es war in Fukushima am Reaktor III" erobert Marion Bach dann endgültig das Publikum für sich. Es braucht eine ganze Weile, bis die Begeisterungsbekundungen die Programmfortsetzung zulassen.

Sachsen-Anhalts Spitzenpolitiker werden in dem großen Kreisel von Wahrheit und Lüge nicht ausgelassen. Ministerpräsident Haseloff als Apostel oder Epistel und Innenminister Stahlknecht, wegen seiner Ambitionen für eine polizeiliche Reiterstaffel kurzerhand auch Stallknecht genannt, bekommen ihr Fett ab.

Als betrunkene griechische Göttin übernimmt Marion Bach eine der Paraderollen von Hans-Günther Pölitz und macht damit ihren Stellenwert in diesem Programm deutlich. Doch ihre Angst vor dem Verschwinden Griechenlands nach dem finanziellen Ruin ist unbegründet. Es sei noch kein Land danach von der Bildfläche verschwunden, erläutert ihr Partner. Sogar die DDR lebe nach wie vor, denn schließlich gebe es wieder Polikliniken, Telefone würden abgehört und gelogen werde wie eh und je.

Da ist es wieder, dieses Thema von Wahrheit und Lüge, von dem sich die Kabarettisten nicht einen Millimeter entfernen. Ihr Fazit: Wahrheit ist wie heißes Eisen. Man kann es nicht anfassen, aber verbiegen.

Dieses Programm der "Magdeburger Zwickmühle" ist bissig, manchmal böse, mitunter sarkastisch, charmant, intelligent und unheimlich gut. Ganz wahr und ungelogen!