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Für seine Internetseite über die Straße der Romanik erhält Thomas Scheid heute den Romanikpreis "Wenn ich etwas mache, dann mach\' ich es richtig"

Von F.- René Braune 31.03.2012, 03:22

Nominiert war er schon mehrfach, in diesem Jahr aber hat er es geschafft: Thomas Scheid wird heute mit dem Romanikpreis ausgezeichnet. Weil er die wahrscheinlich beste Internetseite über die Straße der Romanik entwickelt hat.

Magdeburg. l In der 900-Seelen-Gemeinde Pretzien scheint die Zeit vormittags um elf stillzustehen - zwei junge Frauen plauschen vor einem Geschäft, in dem einst ein Konsum beheimatet war, drei ältere Zeitgenossen warten an der Haltestelle auf den Bus nach Schönebeck. Autos nur gelegentlich, ländliche Idylle, wohin man sieht.

Inmitten dieser Beschaulichkeit ist eine Internetseite entstanden, die weltweit Aufmerksamkeit für die Straße der Romanik weckt. Der Jury des Romanikpreises zufolge hatte die Internetadresse www.romanikstrasse.de im vergangenen Jahr 1,7 Millionen Zugriffe.

In der Begründung der Jury für die Preisvergabe an Thomas Scheid heißt es unter anderem: "Die Homepage präsentiert sich in einem modernen und anspruchsvollen Design. Das Portal vermittelt einen Gesamtüberblick und vernetzt Bauwerke, Akteure und Initiativen miteinander. In Verbindung mit anderen Online-Portalen und Printmedien liefert die Internetseite wertvolle Zusatzinformationen für Besucher der Straße der Romanik.

Untergliedert in Nord- und Südroute werden die 80 Romanikbauwerke in griffigen Texten beschrieben und wichtige Hinweise wie Kontaktadressen, Angebote, Eintrittspreise, Öffnungszeiten, Internetlinks etc. geliefert." Erdacht und entwickelt hat all dies Thomas Scheid, der seit dem Jahr 2006 eine kleine Werbeagentur betreibt und sich "schon immer für Computer interessiert hat".

Seit 1987 wohnt er in Pretzien und ist bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Denn von ihm stammt auch die Internetseite pretzien.de, ein wahres Füllhorn an Informationen, die von Sehenswürdigkeiten, Verantaltungen und historisch Interessantem bis hin zum Abfallkalender reichen. Wenn die Freiwillige Feuerwehr ihr Fest ausrichtet, erfährt die ganze Welt davon. Zumindest könnte sie es.

Den heutigen Tag dürfte Thomas Scheid mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten - lachend, weil er sich "riesig über diesen Preis freut", weinend, weil er ihn nicht selbst entgegennehmen kann. Die Entscheidung der Jury wurde getroffen, lange nachdem er seinen Jahresurlaub gebucht hatte. In einem asiatischen Land fernab der Straße der Romanik ist er gegenwärtig auf den Spuren fremder Kulturen unterwegs.

Dennoch weiß er die Auszeichnung in den besten Händen, denn sein Sohn Christian wird ihn bei der Festveranstaltung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg vertreten.

"Das ist dann deutlich mehr Vergnügen als Arbeit"

Und das aus gutem Grund, denn der Filius war es, der vor rund zwölf Jahren den Anstoß zu dem Projekt gegeben hat, für das der Vater heute geehrt wird. "Christian war in der fünften oder sechsten Klasse", erinnert sich Thomas Scheid, als er mit einer Hausaufgabe zu mir kam. Christian sollte etwas über die Straße der Romanik erarbeiten, und so fing alles an. Diese Aufgabe war der Anstoß für mein neues Hobby, bei dem mein Sohn übrigens noch lange mit geholfen hat. Das ist jetzt 13 Jahre her."

Die ruhige, bescheidene Art dieses Mannes steht in einem krassen Gegensatz zu dem, was er seitdem geleistet hat: 72 der 80 Romanikstandorte auf seiner Seite hat er selbst besucht. Die restlichen acht sollen "auf jeden Fall noch folgen".

Fast alle Fotografien, die zu jedem Romanikbau zu finden sind, stammen von ihm, unzählige Gespräche mit Leuten vor Ort wurden geführt, um alle Informationen zu erlangen, die auf der Seite mitgeteilt werden. Eine übersichtliche Karte zeigte alle Objekte der Straße, Scheid wartet sogar mit einem kleinen Lexikon auf, in dem beispielsweise Begriffe wie Prämonstratenser oder Kreuzrippengewölbe erklärt werden. Eine Akribie, die dem Betrachter nahezu zwangsläufig Bewunderung abringt, Sisyphos lässt grüßen.

Eine finanzielle Unterstützung oder gar Entlohnung gab es nicht, nutzt der 47-Jährige vielleicht die Romanikstraße, um versteckt auf seine Werbeagentur hinzuweisen? Fehlanzeige. Gibt es wirklich noch so viel Selbstlosigkeit?

Danach befragt, setzt Thomas Scheid ein leicht verlegenes Lächeln auf: "Wenn ich etwas mache, dann mach\' ich es richtig." Einem kurzen Überlegen folgt der Satz: "Wenn es keine Ehrenamtlichen mehr gäbe, weil alle nur nach dem Geld und der Bezahlung fragen, könnten wir Deutschland zumachen."

Dennoch möchte er die Selbstlosigkeit keinesfalls überbetonen, seine Motivation fasst er in einen kurzen Satz: "Ich mach\'s einfach gern. Ich interessiere mich nun mal sehr für historische Bauten, und das Ganze hat ja nicht nur mit Arbeit zu tun. Wenn meine Frau und ich eine etwas entferntere Kirche besuchen, wird daraus auch mal ein schöner Wochenendausflug mit Hotelübernachtung, einem netten Essen und Spaziergängen. Das ist dann deutlich mehr Vergnügen als Arbeit."

Als die Frage nach einem Foto gestellt wird, hat er seinen eigenen Vorschlag: "Am liebsten wäre es mir vor der St.-Thomas-Kirche hier in Pretzien."

Und fast entschuldigend fügt Thomas Scheid hinzu, dass sie zu Fuß nur zwei Minuten entfernt sei, höchstens drei. So sympathisch kann Lokalpatriotismus sein.