Im Gespräch mit Generalintendantin Karen Stone vor dem Start des Theaters Magdeburg in die neue Spielzeit "Wir hatten eine gute erste Spielzeit"
In dieser Woche startet das Theater Magdeburg in seine neue Spielzeit. Für die Generalintendantin Karen Stone ist es die zweite. Über ihre Eindrücke aus der vergangenen Spielzeit und ihre Hoffnungen für die nächste sprachen Grit Warnat und F.-René Braune mit Karen Stone.
Volksstimme: Haben Sie sich im Urlaub gut erholt oder waren Sie mit ihren Gedanken doch mehr in Magdeburg?
Karen Stone: Es war sehr schön in Frankreich, ich war drei Wochen im Loire-Tal und habe mir wunderschöne Schlösser angesehen und die Kultur genossen. An die Arbeit und damit an Magdeburg denke ich natürlich immer. Außerdem ist mein Bühnenbildner für die Inszenierung "Lucia" gekommen, und da haben wir schon ein bisschen gearbeitet.
Volksstimme: Ist bei Ihnen wieder der normale Arbeitsalltag eingetreten oder stehen Sie noch unter dem Einfluss der jüngsten unerfreulichen Ereignisse?
Stone: Man kommt zurück und ist sofort wieder voll dabei. Wir sind natürlich in den Proben für "La Traviata", wir haben schon ein Sinfoniekonzert hinter uns, wir proben auch schon für die zweite Opernpremiere, dann stehen uns drei Stücke im Schauspielhaus bevor – es ist der ganz normale Wahnsinn.
Zu dem, was sie mit unerfreulichen Ereignissen meinen, kann ich nur sagen, dass ich Opfer eines Überfalls am Fürstenwall gewesen bin und dass ich sehr froh bin, ohne schwere Verletzung glimpflich davongekommen zu sein. Das beeinflusst mich immer noch, wenn ich nachts mit meinen Hunden eine Runde drehe. Jede andere Frage dazu beantworte ich mit "kein Kommentar".
"Ich empfinde das Publikum als sehr offen"
Volksstimme: Hat das Verhältnis zu ihrem Dienstherren, Oberbürgermeister Lutz Trümper, ernsthaft Schaden genommen oder sehen Sie das eher entspannt?
Stone: Ich sehe das entspannt. Wir haben hier in einem Jahr Vorbereitung enorm viel gemacht, wir haben eine gute erste Spielzeit gehabt. Intensive Kontakte zum Oberbürgermeister habe ich meistens dann, wenn es Probleme gibt – und diesbezüglich habe ich ihn nicht oft getroffen. Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper ist ein starker Partner an der Seite des Theaters und ich schätze ihn als diesen sehr.
Volksstimme: Blicken wir kurz zurück – haben sich in der zurückliegenden Spielzeit Ihre Hoffnungen und Wünsche erfüllt?
Stone: Ja. Sehr gut gefallen hat mir, dass wir sehr viele Zuschauer hatten, darunter auch viele Kinder und Jugendliche. Bei manchen Stücken hätte ich mir ein bisschen mehr Neugier und damit auch Resonanz gewünscht. Es ist manchmal so, dass die Leute von einer Vorstellung begeistert sind, die Zuschauerzahlen für diese Inszenierung dann aber nicht so groß sind. Das war beispielsweise bei unserer doppelten italienischen Nacht so. Hier müssen wir uns fragen, wie wir bestimmte Dinge besser vermitteln können. Aber so etwas gehört auch zu einer ersten Spielzeit, dass man sein Publikum und dessen Verhalten kennenlernt. Wir analysieren natürlich, was bei den Zuschauern angekommen ist und was wir anders und besser machen müssen. Aber insgesamt betrachtet hatten wir eine sehr erfolgreiche Spielzeit.
Volksstimme: Wie viele Besucher hatte Ihr Haus?
Stone: Wir hatten in der vergangenen Spielzeit knapp 145 000 Besucher im Theater Magdeburg.
Volksstimme: Welchen Eindruck haben Sie vom Publikum in Magdeburg, und welche Unterschiede gibt es zu US-amerikanischen Theaterbesuchern?
Stone: Ich empfinde das Publikum nicht nur in Magdeburg, sondern in ganz Deutschland als sehr offen.
Das Publikum in Dallas ist dagegen sehr konservativ. Die Verhältnisse sind auch ganz anders – wenn jemand in Dallas in eine Oper geht, ist das mit großer Wahrscheinlichkeit seine erste Oper. Ein deutscher Theaterbesucher hat dagegen schon häufig dreimal "Die Zauberflöte" gesehen und vielleicht sogar schon seine Kinder oder Enkel mit ins Theater genommen. Das ist ein ganz anderes Kulturerbe und ein ganz anderes Wissen über Kultur. Das verlangt natürlich ein anderes Herangehen, man fängt eine Stufe höher an.
Volksstimme: Wie bewerten Sie nach ihrer ersten Spielzeit das künstlerische Potenzial des Theaters Magdeburg?
Stone: Enorm. Das Orchester ist wirklich sehr gut, und das haben wir auch immer wieder von Gastdirigenten gehört, die international tätig sind. Wir haben aber auch einen Super-Chor, dazu kommt ein tolles Ensemble im Schauspiel – also alles in allem haben wir hier sehr viel Talent und Einsatzbereitschaft. Aber das ändert nichts daran, dass man ab und zu auch ein bisschen internationale Unterstützung durch Gastauftritte braucht, was natürlich auch wieder Geld kostet.
"Wir wollen mehr junge Leute ins Theater holen"
Volksstimme: Weil wir gerade bei Gastauftritten sind – hat sich eigentlich die Open-Air-Inszenierung "Evita" auf dem Domplatz – wirtschaftlich betrachtet – gerechnet?
Stone: Ja. Wir haben etwa 100 000 Euro mehr Einnahmen als im vergangenen Jahr. Ein anderer positiver Aspekt besteht natürlich darin, dass sich diese Inszenierung wirklich herumgesprochen hat. Wir werden ja in der aktuellen Spielzeit zwei besondere Stücke anbieten, "Sunset Boulevard" und "Die Schöne und das Biest", und beide Stücke wurden erstmals für ein Stadttheater freigegeben. Ich denke, dass wir damit auch weit über die Grenzen der Stadt hinaus Interesse wecken und Zuschauer anlocken werden.
Stone: Ich denke schon, denn manche Preise steigen zwar, dafür werden aber andere reduziert. Das Wichtigste, was wir machen, ist das Familienticket, denn wir müssen und wollen unser Publikum gewissermaßen erneuern, das heißt, mehr junge Leute ins Theater holen. Wir haben hier zum Teil 30-prozentige Reduzierungen und verbinden große Hoffnungen damit. Ich bin selbst eine begeisterte Tante und weiß, wie wichtig es ist, die junge Generation mit ins Theater zu bringen. So etwas geht natürlich nicht von heut’ auf morgen, man muss etwas pflanzen und es wachsen lassen. Aber insgesamt gesehen sind unsere Preise im Vergleich zu anderen deutschen Theatern wirklich sehr, sehr niedrig.
Volksstimme: Apropos Geld – zum Jahresende läuft der Haustarif-Vertrag aus, und Sie haben ja schon mehr Geld eingefordert. Allerdings muss man wohl davon ausgehen, dass es nicht kommt. Welche Konsequenzen hätte das für das Theater Magdeburg?
Stone: Wir haben sehr gute Partner in der Stadt, die wirklich Freunde des Theaters sind. Aber wir werden im Jahr 2011 sicher Probleme bekommen, weil dann die Anpassung an die Westtarife kommt. Das bedeutet, dass wir 600 000 Euro mehr brauchen. Und betriebsbedingte Kündigungen wird es bis 2013 nicht geben, das ist so ausgehandelt worden. Gespräche zu diesem Problem laufen mit der Stadt. Ich hoffe nach wie vor, dass wir zu langfristigen Lösungen kommen werden, auch mit der Landesregierung, denn die Stadt kann natürlich nicht alles allein tragen.
Volksstimme: Sie haben vor ihrer ersten Spielzeit gesagt, dass Sie sich um neue Sponsoren bemühen wollen. Gibt es da Fortschritte?
"Sponsoren wollen keine Finanzlücken schließen"
Stone: Voraussetzung für Sponsoring ist, dass man eine solide Finanzierung hat. Kein Sponsor ist bereit, ein schwarzes Loch zu füllen, weil die finanziellen Mittel fehlen. Sponsoren wollen einen Akzent setzen, aber keine Finanzlücken schließen. Das ist für sie einfach nicht sexy.
Wir brauchen eine langfristige Dynamisierung unseres Finanzhaushaltes. Wir sind hier 450 Angestellte und 85 Prozent unseres Etats sind Personalkosten. Ganze 15 Prozent geben wir für unsere Inszenierungen aus – diese Zahl kann einfach nicht mehr reduziert werden, da ist nichts mehr rauszuholen. Ich bin aber nach wie vor optimistisch, dass wir langfristige Läsungen finden werden. In Dallas konnte man immer noch hoffen, unter dem Theater ein bisschen Öl zu finden, aber hier rechne ich damit eigentlich nicht.
Magdeburg hat 230 000 Einwohner und bekommt fast die gleichen Mittel wie Dessau-Roßlau mit knapp 90 000 Einwohnern und zwei Millionen Euro weniger als Halle mit der gleichen Einwohnerzahl wie Magdeburg. Das sind auch Konstellationen, über die man reden sollte.
Volksstimme: In dieser Woche beginnt die neue Spielzeit mit "La Traviata". Wird die Inszenierung so fantastisch, wie Sie sie angekündigt haben?
Stone: Unbedingt. Wir haben mit Stephen Lawless einen Regisseur, der überall in der Welt inszeniert hat, und er hat mir gesagt, das wir die beste Inszenierung haben, die es im Moment auf höchster internationaler Ebene gibt.