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"Think Big!" Haderer zeichnet aus Notwehr gegen den Wahnsinn

Mit seinen Cartoons ist Gerhard Haderer ein Chronist des politischen Weltgeschehens, daneben nimmt er den Selfie-Wahn von uns allen oder Fußballer-Frisuren aufs Korn. Das Museum Wilhelm Busch präsentiert den Großmeister der Satire in einer umfassenden Ausstellung.

Von Christina Sticht, dpa 31.03.2017, 14:05
Der Karikaturist Gerhard Haderer am «Wandertag». Foto: Holger Hollemann
Der Karikaturist Gerhard Haderer am «Wandertag». Foto: Holger Hollemann dpa

Hannover (dpa) - Donald Trump zeigt mit verkniffen-überheblicher Miene seine Goldmedaille. Der US-Präsident mit wehendem Blondhaar steht bis zu den Schultern im Wasser vor zwei anderen blonden Populisten - Geert Wilders und Boris Johnson.

"Sommerfrisuren-Contest 2016: Die USA siegen knapp vor Holland und Großbritannien" lautet der Text zu dem Cartoon. Das Bild der drei männlichen Nixen schmückt das Plakat zur Ausstellung "Gerhard Haderer. Think Big!", die von diesem Samstag an im Museum Wilhelm Busch in Hannover zu sehen ist. Neben seinen Arbeiten für das Magazin "Stern" präsentiert das Haus erstmals in Deutschland die neuen großformatigen Ölgemälde des 65-jährigen Österreichers, der zu den wichtigsten Karikaturisten im deutschsprachigen Raum zählt.

"Ich zeichne aus Notwehr gegen den Wahnsinn, der uns umgibt", sagt Haderer, ein nachdenklicher Mann mit kinnlangem Haar und trockenem Humor. Vor mehr als 30 Jahren vollzog er den radikalen Schnitt vom erfolgreichen Werbegrafiker zum satirischen Zeichner. Ende 2016 beendete er nach 25 Jahren die Zusammenarbeit mit dem "Stern", um sich in seiner Heimat Linz ganz seiner "Schule des Ungehorsams" zu widmen - einem Denklabor zur Förderung der Demokratie.

Im ersten Raum der bis zum 9. Juli laufenden Ausstellung wird Haderer als politischer Chronist vorgestellt: Kanzlerin Merkel etwa tanzt als Marionette einer "türkischen Humorkanone" an Fäden. Der Puppenspieler sieht aus wie Präsident Erdogan. Haderer bannt die internationale Finanzkrise genauso in Bilder wie die Rettung Griechenlands. Er ist ein begnadeter Zeichner. Seine mit Acryltusche kolorierten Cartoons wirken fotorealistisch, sind aber nicht am Computer nachbearbeitet, wie der Künstler betont.

Gibt es Lieblingsmotive? "Donald Trump ist ein Glücksfall für Karikaturisten, weil er sich selbst zeichnet" meint Haderer. "Im Alter über 40 ist jeder für sein eigenes Gesicht verantwortlich." Haderer hätte aber lieber darauf verzichtet, Trump zu zeichnen. "Es ist schrecklich, dass jemand mit solchen Tönen an die Macht kommt."

In der Schau in Hannover geht es nicht nur um Politik, sondern auch um lächerliche Fußballer-Frisuren, Konsum-Terror oder die digitale Abhängigkeit. Auch in der Umgebung des Satirikers beschäftigen sich Menschen dauernd mit Smartphones oder Tablets. "Das ist eine Art von Neo-Biedermeier", meint der Karikaturist. Man ziehe sich zurück ins Private und lasse höchstens kurz über Facebook oder Twitter Dampf ab.

Gern porträtiert er Menschen im Urlaub - etwa ein fettes Paar auf einer aufblasbaren Badeinsel im Mittelmeer, auf das eine große Gruppe von Afrikaner zuschwimmt - "Urlaubsgrüße aus Lampedusa" lautet der Titel des 1,80 mal 2,50 Meter großen Ölgemäldes.

Die Museumschefin Gisela Vetter-Liebenow ist glücklich, dass Haderer ihrem Haus schon seit vielen Jahrzehnten verbunden ist. 2002 etwa waren seine umstrittenen Jesus-Cartoons in Hannover zu sehen. "Als wir jetzt die großformatigen Ölgemälde ausgepackt haben, haben sie uns umgehauen", betont die Direktorin. "Das ist das Besonderere, dass Gerhard Haderer der Karikatur immer neue Dimensionen eröffnet."

Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst

«Herr Waldheim und die sieben Kanzler» (2012). Foto: Holger Hollemann
«Herr Waldheim und die sieben Kanzler» (2012). Foto: Holger Hollemann
dpa
«Urlaubsgrüße aus Lampedusa» (2014). Foto: Holger Hollemann
«Urlaubsgrüße aus Lampedusa» (2014). Foto: Holger Hollemann
dpa
Haderers Marionetten: der österreichische  Rennfahrer Niki Lauda (l) und Papst Benedikt XVI. Foto: Holger Hollemann
Haderers Marionetten: der österreichische Rennfahrer Niki Lauda (l) und Papst Benedikt XVI. Foto: Holger Hollemann
dpa