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  7. Alles zum Schwerbehindertenausweis: Lange Wartezeit durch viele Anträge in Sachsen-Anhalt

lange Wartezeit durch viele Anträge Das Wichtigste über den Schwerbehindertenausweis

Wer schwerbehindert ist, sitzt nicht unbedingt im Rollstuhl oder ist geistig beeinträchtigt. Auch eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung oder Akne können als Behinderung eingestuft werden. Betroffenen stehen Nachteilsausgleiche zu.

Von Sabine Meuter, dpa Aktualisiert: 20.02.2024, 12:08
Wer im Alter mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen hat, hat das Recht, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen.
Wer im Alter mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen hat, hat das Recht, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Foto: dpa

Berlin/Düsseldorf (dpa/tmn) - Offiziell gibt es 7,6 Millionen Schwerbehinderte in Deutschland. Es dürften aber deutlich mehr sein. Denn viele Menschen sind schwerbehindert und wissen es nicht.

Vielen ist nicht bekannt, dass auch chronische Krankheiten wie Tinnitus oder Rheuma unter bestimmten Voraussetzungen eine Schwerbehinderung darstellen. Damit entgehen den Betroffenen Vergünstigungen und Nachteilsausgleiche.

Antragsflut zum Schwerbehindertenausweis: Gardelegener wartet sieben Monate auf Einstufung

Im Juni 2023 hatte ein Mann aus Gardelegen eine Neueinstufung der Schwerbehinderung seiner Mutter beantragt. Ganze sieben Monate dauerte es, bis er eine Antwort vom Versorgungsamt erhielt.

Grundsätzlich sieht das deutsche Sozialrecht für die Bearbeitung von Anträgen einen zumutbaren Zeitraum von sechs Monaten vor, teilt Denis Vopel von Sachsen-Anhalts Landesverwaltungsamt mit.

Grund für die lange Bearbeitungszeit sei das stark erhöhte Antragsaufkommen bei den Schwerbehindertenausweisen. Gingen 2021 über 35.000 Anträge beim Landesverwaltungsamt ein, waren es 2023 bereits über 43.000.

Leseranwältin: Ärger mit dem Amt? Wir kümmern uns darum!

Schwerbehindertenausweis: Ab welchem Grad der Behinderung kann er beantragt werden?

Aber ab wann gilt man als behindert? "Das ist im Sozialrecht definiert", sagt Cornelia Jurrmann vom Sozialverband VdK. Eine Behinderung liegt vor, wenn jemand eine oder mehrere Beeinträchtigungen hat, die länger als sechs Monate anhalten. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss beeinträchtigt sein.

Die Schwere wird durch den Grad der Behinderung (GdB) beziehungsweise den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ausgedrückt. "Jemand gilt als schwerbehindert, wenn der GdB 50 und mehr beträgt", sagt die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Verena Bentele.

Ein Beispiel: Eine schwere Verlaufsform von Migräne kann einen GdB von 50 bis 60 begründen. Auch Menschen mit stark ausgeprägter Akne haben mitunter einen GdB von 50. Im Prinzip kann jede Krankheit, ob nun körperlicher oder psychischer Art, einen GdB begründen.

Schwerbehinderung feststellen lassen: Antrag bei Gemeinde stellen

Wer eine Schwerbehinderung feststellen lassen will, muss einen Antrag beim Versorgungsamt seiner Gemeinde stellen. Dafür reicht ein formloses Schreiben.

Daraufhin bekommt der Antragsteller ein Formular zugeschickt, das ausgefüllt werden muss. "Wichtig ist hierbei, dass der Antragsteller seine persönliche Betroffenheit deutlich macht", erklärt die Düsseldorfer Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht, Regine Windirsch. Er muss genau beschreiben, inwiefern die Krankheit den eigenen Alltag beeinträchtigt.

Um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen, sollten alle ärztlichen Unterlagen, die sich auf die Gesundheitsstörung beziehen, dem Antrag beigefügt werden. Das Amt prüft den Antrag und stellt fest, ob eine Behinderung vorliegt und welchen Grad sie hat.

Liegt der GdB beziehungsweise GdS bei mindestens 50, wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Mit diesem Ausweis können Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen in Anspruch genommen werden.

Menschen mit Schwerbehinderung: Steuern sparen und frühere Rente

"Menschen mit Behinderung können einen Steuerfreibetrag geltend machen", erklärt Bentele. Zudem können Menschen mit Schwerbehinderung mit 62 Jahren in Rente gehen - vorausgesetzt, sie haben mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt.

Arbeitnehmer sind übrigens nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber von ihrer Schwerbehinderung zu erzählen. Viele verschweigen es, weil sie befürchten, beruflich benachteiligt zu werden. "Dabei ist in der Regel das Gegenteil der Fall", betont Windirsch.

Der Arbeitgeber muss per Gesetz Schwerbehinderte fördern. Ihnen stehen etwa fünf Tage bezahlter zusätzlicher Urlaub im Jahr sowie das Recht zu, Überstunden zu verweigern. Zudem können Schwerbehinderte nicht so ohne weiteres gekündigt werden.

Auch außerhalb des Berufslebens gibt es einige Vergünstigungen. So können etwa mobilitätsbehinderte Menschen billiger oder mitunter auch kostenlos mit Bus und Bahn fahren. Bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen gibt es oft Preisnachlässe, wenn man einen Schwerbehindertenausweis vorlegt.