Hungertuch statt Hundedecke: Kein Geld für den Tierarzt
Magdeburg - Futter, Impfungen, Hundesteuer: Für Menschen mit kleinem Einkommen wird das Haustier schnell zum Luxus. Steht ein teurer Tierarztbesuch an, wird es eng. Wo bekommen klamme Tierhalter Hilfe?
Wer einen Vierbeiner hält, für den kommt einiges zusammen: Regelmäßige Ausgaben für Futter, Medikamente und Spielzeug sowie zusätzliche Tierarztrechnungen. Viele kommen dabei finanziell an ihre Grenzen, erzählt Renate Merkel. Vor allem mit Hartz IV oder einer kleinen Rente seien Hund und Katze kaum finanzierbar, erklärt die zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins Ammerland. Dabei seien Tiere gerade für einsame, labile oder kranke Menschen wichtige Begleiter.
"Tiere sind Luxusgüter", findet Rene Olhöft vom Hamburger Tierschutzverein. Für Futter kommen je nach Größe des Tieres jährlich zwischen 200 und 800 Euro zusammen. Dazu Hundesteuer, Katzenstreu, Haftpflichtversicherung. Und beim Tierarzt bleiben für Routinebehandlungen wie Impfungen und Parasitenschutz jedes Jahr 100 Euro - Besuche bei Krankheit oder Verletzungen nicht mitgerechnet.
"Jeder muss sich im Vorfeld genau überlegen, ob er sich ein Tier leisten kann", sagt deshalb Klaus Kutschmann von der Bundestierärztekammer. Denn wer sich für einen Vierbeiner entscheide, trage für die nächsten 10 bis 20 Jahre Verantwortung. Vor allem Hund und Katze seien kostspielige Haustiere, sagt der Tierarzt aus Magdeburg. Eine günstige Alternative könnte ein Vogel sein. Hunderassen seien außerdem unterschiedlich kostenintensiv: Kurzköpfige Tiere wie Möpse seien sehr krankheitsanfällig. "Ein Westi frisst dagegen nicht nur weniger, er ist dazu einfacher zum Tierarzt zu bringen als eine Bulldogge", sagt Kutschmann.
Manchmal kommen Tierhalter erst nach Jahren in einen finanziellen Engpass. Damit sie nicht gezwungen sind, ihr Tier schlecht zu versorgen oder abzugeben, versucht etwa der Ammerlander Tierschutzverein, in solchen Fällen zu helfen - zum Beispiel mit Zuschüssen zu größeren Tierarztrechnungen.
Eine weitere Anlaufstelle sind Tiertafeln. "Wir unterstützen durch Futterrationen, übernehmen aber keine Vollversorgung", erklärt Uschi Pinsker von der Frankfurter Tiertafel. An Tierarztkosten könne sie sich nur beteiligen, wenn das Futter ihrer Kundentiere langfristig gesichert und noch Geld übrig sei. Dass sich mit Selbermachen von Futter viel Sparen lässt, glaubt Tierarzt Kutschmann nicht. Er empfiehlt Trockenfutter: "Das ist günstiger als Nassfutter und genauso gut." Außerdem gebe es in Städten mit Futterherstellern häufig Werksverkäufe. "Dort können Halter leicht zerdrückte Dosen oder Ware mit Etikettierfehlern kaufen und 50 Prozent sparen", empfiehlt Merkel.
Für dauerhaft niedrige Kosten empfiehlt Kutschmann, nicht am falschen Ende zu sparen: "Regelmäßig impfen und entwurmen ist wichtig." Um finanzschwachen Haltern entgegenzukommen, bieten viele Tierärzte die Möglichkeit zur Ratenzahlung. "Aber ehrlich gesagt machen wir damit häufig schlechte Erfahrungen", sagt Kutschmann: Oft käme nach ein paar Monaten kein Geld mehr, und der Arzt bleibe auf den Kosten sitzen. Wie viel eine Behandlung kostet, regelt die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT). "Tierärzte dürfen den ein- bis dreifachen Satz dieser GOT anrechnen - das liegt in ihrem Ermessen", erklärt Pinsker.
Kutschmann ergänzt: "Im Einzelfall kann ein Tierarzt bedürftigen Haltern entgegenkommen, indem er den einfachen Gebührensatz unterschreitet." Trotzdem kann es manchmal dramatisch werden, wenn nur eine schwierige OP ein Tier retten kann. "Es gibt Fälle, in denen ein Patient eingeschläfert wird, weil der Halter die Kosten nicht gestemmt bekommt", sagt Kutschmann.
Von Krankenversicherungen für Tiere halten die Experten eher wenig. "In Deutschland sind sie nicht verbraucherfreundlich, die monatliche Gebühr ist einfach zu hoch", sagt Kutschmann. Außerdem gebe es große Unterschiede, welche Leistungen bezahlt werden. "Meist fährt der Tierhalter besser, die im Durchschnitt 20 Euro Beitrag pro Monat selbst beiseitezulegen."
Auf staatliche Hilfen oder Unterstützung von Tierschutzvereinen können Halter nicht hoffen. "Wir sind vornehmlich für verlassene Tiere da", erklärt Olhöft vom Hamburger Tierschutzverein. Wo es im Härtefall Unterstützung gebe, müssten Halter individuell herausfinden. Einen zentralen Ansprechpartner gibt es laut Kutschmann nicht.