Fall 2: Krankenkassenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger Nach Prüfung Einzelfallentscheidung: Nachzahlung von Zusatzbeitrag erlassen
Als eine Leserin aus dem Salzlandkreis im Februar 2010 von ihrer Krankenkasse informiert wurde, dass sie künftig einen Zusatzbeitrag von acht Euro im Monat zahlen müsse, wandte sie sich schriftlich an die Hauptverwaltung. Nein, eine Einzugsermächtigung erteile sie dafür nicht, und den Zusatzbeitrag könne sie als ALG-II-Bezieherin von ihrem ohnehin kleinen Budget sowieso nicht aufbringen.
Von Gudrun Oelze
Auf diesen von ihr als Widerspruch gewerteten Brief reagierte die Krankenkasse nicht, schickte Monate später aber Zahlungserinnerungen. Auf Anraten der damaligen KoBa wechselte die Frau in eine Krankenkasse ohne Zusatzbeitrag, die Kündigung wurde zum 31. Oktober 2010 wirksam.
Für unsere Leserin schien die Angelegenheit damit erledigt zu sein. Doch dann der Schock: Vor wenigen Wochen flatterte erneut eine Forderung der früheren Kasse ins Haus: Sie habe bis zum Ende der Mitgliedschaft den noch ausstehenden zusätzlichen Obolus zu zahlen - immerhin 72,80 Euro.
Die SGB-II-Behörde würde dies während der Übergangszeit übernehmen, hatte sie gehört. Als sie dort nachfragte, schüttelte man jedoch nur verneinend den Kopf. Da sie die geforderte Summe nicht aufbringen könne, bat die alleinstehende Hartz-VI-Betroffene uns um Hilfe.
Seit Einführung des Gesundheitsfonds haben gesetzliche Krankenkassen bekanntlich die Möglichkeit, Finanzlücken durch Erhebung eines Zusatzbeitrages zu decken. "Bezieher von ALG II oder Sozialgeld müssen grundsätzlich keinen Zusatzbeitrag zahlen", stellte Edith Völksch, Betriebsleiterin des Jobcenters Salzlandkreis, klar. Allerdings konnten SGB-II-Behörden "in der Vergangenheit den Zusatzbeitrag nur übernehmen, wenn der Wechsel der Krankenkasse eine besondere Härte bedeutet hätte".
Das wäre nach den Buchstaben des Gesetzes alter Fassung dann "anzunehmen, wenn dem Bezieher von Arbeitslosengeld II oder seinen familienversicherten Angehörigen ein Wechsel von der Krankenkasse, die einen Zusatzbeitrag erhob, zu einer Krankenkasse, die keinen Zusatzbeitrag erhob, nicht zumutbar war", zum Beispiel, wenn dadurch erhebliche Einbußen bei der Leistungsgewährung oder besondere Belastungen etwa wegen Rückgabe eines Rollstuhls zu erwarten waren.
"Das Vorliegen einer besonderen Härte konnte sich aus gewichtigen einzelnen oder aus dem Zusammenfallen mehrerer Gründe ergeben", so das Jobcenter. Andere Betroffene konnten - bis auf wenige Ausnahmen - die Mitgliedschaft kündigen.
Dieses Sonderkündigungsrecht bestand bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung. Dadurch wurde eine Beitragslücke vermieden. "Wird das Kündigungsrecht nicht ausgeübt, ist eine Übernahme des Zusatzbeitrags als Zuschuss ausgeschlossen. Allenfalls kommt die Absetzung als Pflichtbeitrag von vorhandenem Einkommen in Betracht", teilte die SGB-II-Behörde mit.
Vom Jobcenter war für diese Leserin also keine Hilfe zu erwarten. Auch die angeschriebene Krankenkasse, die DAK, verwies auf rechtliche Vorgaben: "Der Gesetzgeber hatte 2010 für Hartz-IV-Empfänger keine Ausnahme von der Zahlung der Zusatzbeiträge vorgesehen. Krankenkassen, die solche erhoben, waren daher gesetzlich gezwungen, diese auch von ALG-II-Beziehern zu fordern. Für Betroffene bestand lediglich die Möglichkeit, die Übernahme der Zusatzbeiträge beim SGB-II-Leistungsträger zu beantragen. Der hatte dann eigenständig zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Übernahme der Zusatzbeiträge vorlagen." Dies war bei unserer Leserin offenbar nicht der Fall.
Die Beitragsforderung sei somit grundsätzlich rechtmäßig. Allerdings: "Die Eintreibung von Zusatzbeiträgen bei ALG-II-Beziehern ist für uns als Krankenkasse verständlicherweise eine sehr undankbare Verpflichtung, der wir aber entsprechend des gesetzlichen Auftrages nachkommen müssen", teilte die DAK mit und auch, dass man sich nochmals mit allen Einzelheiten des konkreten Vorganges befasst habe. "Unter Berücksichtigung der besonderen Lebensumstände, des Lebensalters sowie der Höhe der offenen Beiträge wird die DAK in diesem Einzelfall auf die Beitragsforderung verzichten", fand dieser Fall für unsere Leserin doch noch ein positives Ende.