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Schulschwänzerin wider Willen / Wer zahlt 100 Euro Eigenanteil für sozialschwache Familie? Wenn das Geld fürs Schülerticket fehlt...

Von Gudrun Oelze 10.10.2011, 04:31

Seit fast zwei Wochen "schwänzt" eine Jugendliche aus dem Bördekreis den Unterricht. Sie muss dem Unterricht fernbleiben, weil sie von ihrem Wohnort einfach nicht zur Schule kommt, denn der Busfahrer nimmt die Schülerin der 11. Klasse nicht mehr mit.

Ihre Monatskarte war am 26. September abgelaufen, und es war der Familie nicht möglich, eine neue zu kaufen. Dabei war schon in den Sommerferien beim Jobcenter die Kostenübernahme beantragt worden, weil das ALG II nicht für die 59 Euro teure Monatskarte reicht.

Laut Schulgesetz Sachsen-Anhalt haben die Landkreise als Träger der Schülerbeförderung seit vergangenem Schuljahr auch Gymnasiasten der 11. und 12. Klassen bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs oder des Schülerverkehrs von den Fahrtkosten zu entlasten, fragten wir im Landratsamt nach.

Das wird auch im Landkreis Börde so gehandhabt, versicherte man uns, doch müssen sich die Eltern zunächst mit 100 Euro selbst beteiligen, sieht das Schulgesetz vor. Ist dieser Eigenanteil von 100 Euro je Schuljahr nachgewiesen, werden die danach anfallenden Fahrtkosten auf Antrag erstattet. Die 100 Euro Eigenanteil aber kann diese Familie nicht aufbringen.

Mit Ach und Krach wurde die Summe für die erste Fahrkarte im neuen Schuljahr zusammengekratzt und danach hoffte die Familie auf Unterstützung von Ämtern und Behörden - doch bisher vergeblich.

Da das Schulgesetz keine Härtefallregelung vorsieht, ist für die Kostenübernahme der Schülerbeförderung durch den Landkreis erst einmal der Eigenanteil der Eltern erforderlich, hieß es dort. Und beim Jobcenter verwies man darauf, dass der ALG-II-Regelsatz ja bereits einen Anteil für die Nutzung von Verkehrsmitteln enthalte - und zwar 12,62 Euro monatlich und damit, aufs Jahr gerechnet, mehr als die geforderten 100 Euro Eigenbeteiligung.

Aber gibt es da nicht noch das Bildungs- und Teilhabepaket, das Kindern aus Hartz-IV-Familien zusätzliche Mittel für soziales und kulturelles Leben in der Gemeinschaft zugesteht? "Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten", heißt es im Gesetz.

Die konkreten Umsetzungsbestimmungen sind Sache der Landkreise als Träger der Grundsicherung, erfuhren wir bei der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen.

Auch im Landkreis Börde gibt es eine Bildungs- und Teilhabe-Richtlinie, in der unter anderem festgestellt wird, dass ab der 11. Klasse eine Befreiung von den Aufwendungen für die Schülerbeförderung erst erfolgt, nachdem die Eltern einen jährlichen Eigenanteil von 100 Euro erbracht haben.

Wie vom Jobcenter bereits mitgeteilt, steht auch in der Richtlinie, dass im monatlichen Regelbedarf jugendlicher Hartz-IV-Betroffener ja bereits ein Anteil für Verkehrsmittelnutzung enthalten sei. Allerdings könne im Einzelfall geprüft werden, ob der bei der Schülerbeförderung ab Klasse 11 geforderte Eigenanteil überhaupt noch aus dem Regelsatz bestritten werden kann, wenn der Jugendliche zum Beispiel den Bus auch für private Zwecke nutzt.

In jedem Fall setzt eine eventuelle Übernahme der Kosten laut Richtlinie des Landkreises Börde eine Antragstellung und einen Nachweis über die Kostenübernahme durch das Schulamt sowie über die entstandenen Fahrtkosten voraus.

So lange kann die Schülerin aber nicht mehr dem Unterricht fernbleiben, entschied man auf Nachfrage der Volksstimme jetzt kurzfristig beim Jobcenter. Bis endgültig geklärt ist, wer für die Kosten des schuljährlichen Elternanteils aufkommt, kann die Mutter aus ihrem November-ALG-II-Anspruch einen Vorschuss für die Schulbus-Fahrkarte erhalten.