1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Alle am selben Tisch

Integration Alle am selben Tisch

Eine neue Netzwerkstelle will Flüchtlinge und Menschen, die bei der Integration helfen wollen, zusammenbringen.

Von Franziska Ellrich 03.07.2016, 08:00

Burg/Genthin l „Ich würde gerne den Flüchtlingen helfen.“ Mit diesem Satz seien immer wieder Menschen an ihn herangetreten, sagt Jörg Rehbaum. Und jetzt weiß der Burger Bürgermeister endlich, an wen er diese freiwilligen Helfer verweisen kann: An die neue Netzwerkstelle für die Unterstützung von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe. Dort sitzen seit Neuestem Anne Jung und Michael Behr als Ansprechpartner.

Was die Beiden sich zur Aufgabe gemacht haben: Erst einmal den Kontakt zu denen aufnehmen, die in Sachen Flüchtlinge helfen wollen. Dann geht es um die jeweiligen Ressourcen. „Einer hat Möbel abzugeben, der andere spricht verschiedene Sprachen und kann dolmetschen oder es bringt jemand einfach nur Zeit mit“, zählt Anne Jung auf. Zeit, die dann genutzt werden kann, um den jungen Asylsuchenden bei den Hausaufgaben zu helfen. Zeit, um die erwachsenen Flüchtlinge zur Behörde oder zum Jobcenter zu begleiten.

Anne Jung und Michael Behr bringen die Ehrenamtlichen mit den „passenden Flüchtlingen“ zusammen. Im Fall von Eva-Maria Halm-Kulke und Ahmad Albaghdady aus Syrien hat das hervorragend geklappt. „Eva ist für mich wie Familie“, sagt der 29-Jährige. Und fügt mit einem Schmunzeln an: „Fast sogar schon fürsorglicher als meine eigenen Eltern.“ Ahmad Albaghdady ist vor einem Jahr aus Syrien wegen des Bürgerkrieges geflüchtet. Jetzt liegen die ersten Integrationskurse hinter ihm. Sein Deutsch ist gut.

Doch das mit der deutschen Bürokratie bleibt eine Herausforderung. Und dabei unterstützt ihn Eva-Maria Halm-Kulke. Ahmads Zeugnisse müssen übersetzt, Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz verfasst werden. Dabei ist der ehrenamtlichen Helferin wichtig: „Als Pate macht man nicht alles für die Flüchtlinge, sondern ich helfe ihnen dabei, es selbst zu schaffen.“ In punkto Jobsuche verfolgt der Burger Bürgermeister Jörg Rehbaum eine klare Strategie: „Es ist ideal, wenn ich weiß, was möchte derjenige lernen, was kann er schon und dann gehe ich auf die Unternehmen zu, um den Interessenten vorzustellen.“

Behr spricht von „vernetzten Strukturen“. Und meint damit neben dem Kontakt zu Arbeitgebern auch den zum Kreissportbund und Vereinen. Um der Frage nachzugehen: Wo können sich die Flüchtlinge einbringen? „Wir dürfen nicht nur über Integration sprechen, sondern müssen Tatsachen dagegen setzen“, erklärt Rehbaum. Eben auch Tatsachen gegen weit verbreitete Vorurteile wie: „Die Flüchtlinge liegen uns nur auf der Tasche“, nennt der Bürgermeister ein Beispiel.

Eva-Maria Halm-Kulke macht deutlich, dass sie bisher nur Asylsuchende kennengelernt hat, „die unbedingt arbeiten wollen“. Aber die bürokratischen Hürden würden es den Ausländern schwer machen. Wie die junge Frau zu ihrem ehrenamtlichen Einsatz kam? Koordinatorin Anne Jung kann sich noch genau erinnern: „Sie kam eines Tages zum Sprachcafé ins Soziokulturelle Zentrum und hat gefragt, ob noch Deutschlehrer gesucht werden.“ Und aus dem Deutschunterricht entwickelten sich dann schnell die Patenschaften für verschiedene Familien aus Syrien.

Eva-Maria baut mit den Flüchtlingen Möbel auf, sucht nach Kindergartenplätzen und hilft bei der Verständigung auf dem Amt. Wer, bevor er Deutschunterricht gibt, noch Hintergrundinformationen braucht oder wer Ängste vor der Begegnung mit den Flüchtlingen hat - für den organisiert das Duo von der Netzwerkstelle Weiterbildungen, mit dem reden die beiden, räumen Unklarheiten aus, sind immer für Fragen erreichbar. Träger der Netzwerkstelle ist das Jugendwerk Rolandmühle.

„Es braucht ein wenig Feingefühl, die Paten und Familien zusammen zu bringen“, sagt Anne Jung. Und betont: „Jeder soll nur so viel Zeit geben, wie es für ihn passt und das muss nicht viel sein.“ Wichtig sei einfach, dass sich mehr Paten für die Flüchtlinge finden. „Die Menschen brauchen den Kontakt zu den Einheimischen“, weiß Eva-Maria Halm-Kulke aus Erfahrung.

Das Gute an der neuen Netzwerkstelle: Die beiden Mitarbeiter betreuen zusätzlich die Projekte ‚Mila‘ (Multiplikator, Integration, Leben und Arbeiten) und ‚Patent‘ (Patenschaften für Ehrenamtliche und deren Koordination). Das bedeutet, dass der ständige Kontakt mit Ehrenamtlichen und Flüchtlingen eine Verzahnung von Hilfsangeboten und Hilfesuchenden leichter macht.

Wer helfen will, kann sich an die Netzwerkstelle wenden. „Es gibt noch genügend Menschen, die Unterstützung brauchen“, sagt Anne Jung. Auch auf die Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland sind, würden immer wieder neue Herausforderungen zu kommen, erklärt Michael Behr. „Jetzt geht es zum Beispiel für einige darum, ihre Familien nachzuholen.“ Was für einen selbst bei dem ehrenamtlichen Einsatz mit Flüchtlingen herausspringt, fasst Eva-Maria Halm-Kulke in wenigen Worten zusammen: „Das ist gelebte Integration, es macht auf beiden Seiten Freude. Für mich ist es eine Bereicherung, dass diese Menschen jetzt da sind.“