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Bis vor 180 Jahren zeigten die Uhren in Deutschland nicht die gleiche Uhrzeit an Die Telegrafenattrappe zeigt jetzt Zeitumstellung an

27.10.2011, 04:21

Ziegelsdorf (twa/bsc) l "Aus Anlass der am Wochenende stattfindenden Uhrenumstellung ist an der voll funktionsfähigen Telegrafenattrappe in Ziegelsdorf das Zeichen ,Die Uhren sollen gestellt werden\' eingestellt", erklärt Torsten Wambach vom Heimatverein Grabow. Auf diesem Weg soll an die kulturgeschichtlich bedeutende Anordnung zur Vereinheitlichung der Uhrzeit erinnert werden.

"Die Uhren sollen umgestellt werden." So lautete die Ankündigung zur Einstellung der Uhrzeit auf allen 62 Telegrafenstationen der Königlich-preußischen optischen Telegrafenlinie Berlin-Koblenz und somit auch auf den vier Stationen, Ziegelsdorf, Dretzel, Schermen und Biederitz im Jerichower Land. Denn was heute mit Hilfe von Funkuhren selbstverständlich erscheint, dass alle Uhren in Deutschland die gleiche Zeit anzeigen, war bis vor 180 Jahren nicht so. Das lag nicht an der Präzision der Uhrwerke.

Bis zur Vereinheitlichung der Uhrzeit bestimmte der Lauf der Sonne die Ortszeit. Erst bei großen Entfernungen waren Zeitunterschiede feststellbar, die durch die geringen Geschwindigkeiten der Transportmittel kaum spürbar waren. So betrug die Zeitdifferenz in der Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen Berlin und Aachen an der preußischen Westgrenze 28,5 Minuten. Für einen reitenden Boten, der für die Strecke drei bis vier Tage brauchte, eine zu vernachlässigende Differenz. Für dagegen mittels optischer Telegrafenlinie zu übersendende Depechen, die für die Strecke Berlin-Koblenz nur 90 Minuten benötigten, war diese Zeitdifferenz unakzeptabel groß. Auch für das ab 1835 beginnende Eisenbahnwesen wurde eine vereinheitlichte Uhrzeit in Preußen immer bedeutsamer.

"Dies war der Anlass, die Uhrzeit von Berlin, als so genannte ,Berliner Zeit\' für die gesamte Telegrafenlinie festzulegen und alle Uhren danach anzupassen. Die dauerhafte Einheitlichkeit der Uhrzeit auf allen 62 Telegrafenstationen wurde alle drei Tage durch ein ,Zeitzeichen\' sichergestellt", erklärt Torsten Wambach.

Zur Ankündigung des aus Berlin kommenden Zeitzeichens, dass für die 588 Kilometer lange Strecke nach Koblenz nur 60 Sekunden benötigte, wurde dreimal zuvor das Zeichen "Die Uhren sollen gestellt werden" durch die Linie geschickt. Torsten Wambach: "Damit wusste jede Station, dass nach der dritten Ankündigung als nächstes Zeichen das ,Zeitzeichen\' kommt und stellte durch permanentes Beobachten der Nachbarstation die unverzügliche Weiterleitung des ,Zeitzeichens\' sicher."

Dieses streng vorgeschriebene Vorgehen und die Einstellung des Zeitzeichens selbst, wozu nur eine kleine Flügelbewegung notwendig war, ermöglichte die unvorstellbar kurze Übertragungsdauer des Zeitzeichens von nur 60 Sekunden bei 62 Telegrafenstationen.

"Wer sich mehr für die Zeichensprache der optischen Telegrafie interessiert, der sollte die Nachbildung der optischen Signalanlage in Ziegelsdorf besuchen. Dort wechseln alle zwei Wochen die Zeichen, deren Bedeutung im benachbarten Schaukasten entschlüsselt wieder gegeben wird", so Torsten Wambach.

Nach Vereinbarungen oder am zweiten Sonntag eines Monats (April bis Oktober) besteht darüber hinaus die Möglichkeit, selbst Zeichen einzustellen oder Zeichen mittels Codebuch zu dechiffrieren.