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Glücksbringer Feuer und Flamme fürs Fegen

Moritz Hartlapp aus Papsdorf ist Deutschlands bester Nachwuchsschornsteinfeger. Er erzählt vom Alltag eines Glücksbringers.

Von Kathrin Wöhler 31.12.2020, 00:01

Papsdorf l Sorgt selbst für euer Glück! Wenn Moritz Hartlapp einen Wunsch frei hätte, dann diesen – und dass ihn die Vögel von den Dächern pfeifen. Der 22-Jährige ist überzeugt: Glück gibt’s genug, es reicht für alle, wenn nur die innere Einstellung stimmt. „Aber wo ich ein bisschen nachhelfen kann, tue ich das doch gern.“

Nun sollte man sich den jungen Mann keineswegs hochmütig vorstellen. Er sagt solche Sachen augenzwinkernd und sehr freundlich. Moritz Hartlapp vereint in sich alles, was ein guter Schornsteinfeger braucht. Geradezu überschwängliche Freude an seiner Arbeit, ein kluges Köpfchen und Lust, sämtliche technischen und Gesetzesvorgaben durchzuackern. Dazu ein duldsames Gemüt, gepaart mit dem Bedürfnis, die Kunden zufrieden zu stellen. „Denn natürlich sind wir auf die Gunst der Leute angewiesen, es gibt kein Kehrmonopol mehr.“

Trotzdem trifft auch Moritz Hartlapp auf Menschen, die Hinweise und Vorgaben – der Geselle kehrt nicht nur, er prüft auch Heizungs- und Lüftungsanlagen und misst die Abgaswerte – als Einschränkung wahrnehmen. Und das stimmgewaltig kundtun. Er lerne aus jedem Gespräch, sagt Hartlapp. „Inzwischen kann ich an der Art, wie mich jemand anschaut, ungefähr einschätzen, welcher Charakter mich erwartet.“ Und schmunzelnd erzählt er: „Wenn mir eine Frau öffnet und ihr erster Blick geht zu meinen Schuhen, weiß ich, dass ich gleich meine Schoner überziehen kann. Da brauche ich gar nicht zu fragen.“

Schon lange vor seiner Lehre bei Schornsteinfegermeister Stefan Neubauer in Loburg ging Hartlapp mit offenen Augen durchs Leben. Er schliddert nicht einfach so in die Ausbildung. Eher schon der Meister. Der hatte nämlich gar keinen Lehrling im Blick, als er 2016 an die Tür der Hartlapps in Pabsdorf klopfte. „Ich war gerade allein, als Meister Neubauer kam – was für ein Glück!“ Denn so konnte er viele Fragen stellen, wovon der Schornsteinfeger offenbar angetan war.

„Er hat mir kurzerhand ein Praktikum angeboten.“ Und weil der damalige Gymnasiast schon bei Heizungsinstallateuren, Kanalreinigern und Gartenbauern probehalber mitgeholfen hatte, sagte er voller Freude zu. „Ich durfte dem Meister buchstäblich über die Schulter schauen. Ich war, wenn man das in meinem Beruf so sagen darf, Feuer und Flamme“, erzählt Hartlapp und lächelt.

Er erinnert sich an die ersten, erhebenden Male auf einem Dach: an die besondere Stille, die sagenhaften Ausblicke – und an ein Malheur. „Ich durfte das Seil mit dem Kehrbesen in einen Schornstein hinab lassen. Leider zu weit. Im Kamin war noch Glut, sodass das Seil wegschmorte. Aber der Meister hat es mir verziehen.“

Hartlapp legte danach ein gutes Abitur hin, trotzdem stand sein Entschluss fest, Handwerker zu werden. „Viele konnten das nicht verstehen – Handwerk hat ein verstaubtes Image. Aber das ist Unsinn. Obwohl, staubig geht es bei uns natürlich schon zu.“ Meister Neubauer stellt den verschmitzten Burschen ein – ein Glücksgriff. Gut in der Berufsschule und eine große Hilfe, so könnte man die drei Lehrjahre zusammenfassen. Denn Moritz Hartlapp entwickelt schnell einen Draht zu den Leuten. Aber auch zu seinem Meister. Die Männer ähneln sich, beide gelassen und genau in der Sache.

„Wenn wir nicht aufpassen, kann ein Kamin in Kombination zum Beispiel mit einer Abzugshaube extrem gefährlich für die Leute werden“, nennt Moritz Hartlapp ein praktisches Beispiel. Selbst Schornsteinbrände seien möglich, wenn zu selten gekehrt werde. „Dabei entstehen derart hohe Temperaturen, dass Sie von außen am Schornstein ein Ei braten könnten.“

Moritz Hartlapp fühlt eine große Verantwortung. Womöglich ein Grund für die herausragenden Ergebnisse seiner Gesellenprüfung – die besten bundesweit. Und das ganz ohne Glücksbringer. „Ich glaube nicht daran. Und ich reibe auch nicht an meinen goldenen Knöpfen“, fügt er grinsend hinzu. Das überlasse er gern seinen Kunden.

Dennoch hat der pechschwarze Mann in diesem Jahr, das ihm reichlich Begegnungen mit Menschen bescherte, die nicht arbeiten durften, ausgiebig über die Sache mit dem Glück nachgedacht. „Ich glaube, wir leben in einer guten Gesellschaft, in der es wenig Grund zur Klage gibt. Glück hängt nicht vom Kontostand ab, da bin ich inzwischen sicher. Eher davon, ob man Kleinigkeiten wertschätzt. Zeit mit der Familie, Zeit für sein Hobby ... Ich lerne das gerade, es macht mich ruhiger – und tatsächlich glücklich.“